„Schiffe sind keine Asylzwischenlager“

Der Fall der „Cap Anamur“ zeigt auch ein Dilemma der kommerziellen Schifffahrt, sagt der Reeder Matthias Reith

taz: Herr Reith, Sie sind am Dienstag gemeinsam mit Cap Anamur bei einer Pressekonferenz in Berlin aufgetreten. Welches Problem macht der Fall aus Ihrer Sicht deutlich?

Matthias Reith: Ich als Reeder sehe für die gewerbliche Schifffahrt ein Problem. Laut internationalem Recht sind Kapitäne verpflichtet, Flüchtlinge in Seenot zu retten. Außerdem ist es seemännische und humanitäre Tradition. Doch die Länder, in denen wir landen, können die Annahme der Migranten verweigern.

Passiert das oft?

Ich kenne dazu keine Zahlen. Aber der Fall „Tampa“ vor Australien ist bekannt. Die Besatzung hat Menschen gerettet und musste die Besatzung tagelang an Bord behalten, 438 Menschen bei einer Schiffsbesatzung von ungefähr 20 Mann. Schiffe sind keine Asylzwischenlager. Dafür sind sie nicht ausgerüstet.

Aber irgendwann können die Schiffsbesatzungen die Flüchtlinge übergeben?

Ja, aber es kam es vor, dass Schiffe lange warten mussten, bis alle Formalitäten geklärt sind. Schiffe kosten sehr viel, je nach Größe 2.000 bis 70.000 Euro pro Tag. Da steht das Wohl der Flüchtlinge gegen das Wohl der Unternehmen und es wird berichtet, dass deshalb Rettungen unterbleiben.

Was muss passieren?

Wir brauchen Rechtssicherheit. Bisher wird immer situativ entschieden, was mit den Flüchtlingen passiert. Die International Marine Organisation hat nach der Irrfahrt der „Tampa“ Richtlinien beschlossen, nach denen die Länder Flüchtlinge von den Schiffen übernehmen müssen. Das ist sehr gut, kann aber nur ein erster Schritt sein, denn diese Richtlinien sind nur moralisch bindend, aber nicht rechtlich. Deshalb müssen die Richtlinien möglichst bald Gesetz werden.

Innenminister Schily fordert Aufnahmelager in Nordafrika, um die Flüchtlinge von Europa fern zu halten. Eine gute Idee?

Viele dieser Boote, mit denen die Afrikaner da ins Wasser gehen, sind vorprogrammierte Seenotfälle. Wenn dieses Sterben verhindert werden kann, dann muss man dies auch tun, indem verhindert wird, dass diese seeuntüchtigen Flüchtlingsfahrzeuge überhaupt losfahren.

Sind Lager in nichtdemokratischen Ländern dafür wirklich ein geeignetes Mittel?

Ich kann als Schifffahrttreibender nur sagen, dass Tote verhindert werden müssen. Was in den Lagern passiert, ist Aufgabe der Politik. Und was an Land nicht geregelt werden kann, das kann man auf See erst recht nicht regeln. INTERVIEW: DANIEL SCHULZ