Die Reingeschnupperte

Alessandra Rusconi forscht über Paare in der Wissenschaft

Es ist 14 Jahre her, da lernte Alessandra Rusconi in einem Seminar an der Freien Universität Berlin eine Studentin kennen. Die arbeitete als Praktikantin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIfB). Und weil sich die Italienerin aus der Uni Florenz für ähnliche Sachen interessierte, wie sie bei den Bildungsforschern gemacht werden, bewarb sie sich. Von da an kam eins zum anderen: Die heute 37-Jährige arbeitete am MPIfB, sie ging nach Bremen in eine der jungen Eliteforschungseinrichtungen, dann kam sie wieder zurück nach Berlin.

Heute forscht sie am Wissenschaftszentrum an dual career couples, an Paaren in der Wissenschaft. Die Fragen dort lauten: Unter welchen Bedingungen machen beide Partner eines Paares Karriere? Was passiert, wenn ein Kind kommt? Wie und warum entscheiden die Paare, wer zu Hause bleibt – und wer ohne Unterbrechung weiterforscht? „Es sind oft die kleinen Entscheidungen, die eine Biografie nachhaltig beeinflussen“, berichtet Rusconi aus ihren Lebenslaufforschungen. Und sie weiß, dass das im Grunde auch für ihr eigenes Leben gilt.

„Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich nicht ein Gastsemester, sondern 14 Jahre in Deutschland bleiben werde“, sagt die schlanke Frau mit den Dreadlocks und hält einen Moment inne, „ich weiß nicht, ob ich das damals gemacht hätte!“ Sie hat es gemacht – und gehört nun zur ersten Garde der Sozialforscher.

Die Stationen ihrer Karriere lesen sich wie die Bundesliga der Sozialforschungseinrichtungen: Promotion am MPI und der FU Berlin. Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Jungen Akademie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Assistentin am Sonderforschungsbereich Staatlichkeit im Wandel der Uni Bremen. Und nun ist sie mit einem eigenen Projekt in der neuen Bildungsforschungsabteilung des WZB. Rusconi würde gerne noch weitere erstklassige Arbeitgeber sammeln. „Ich hätte nichts dagegen, mal ein Projekt zu machen, das mehr als zwei Jahre dauert“, erzählt sie.

Rusconis Weg in die Wissenschaft schien wie vorgezeichnet. Ihre Eltern sind beide Professoren. Aber aus ihren Forschungen weiß sie, wie komplex der Prozess der Ablösung vom Elternhaus ist. In einem Vergleich der „different pathways out of the parental home“ hat sie herausgefunden, dass sowohl deutsche als auch italienische Jugendliche relativ spät in den Arbeitsmarkt einscheren – mit einem gravierenden Unterschied. In Deutschland wird die räumliche Trennung von den Eltern als Ausweis der Unabhängigkeit angesehen. In Italien gilt der Auszug aus dem Elternhaus ohne triftigen Grund geradezu als Affront gegen die Eltern. CHRISTIAN FÜLLER