Die Doppeljobberin

Miriam Hartlapp untersucht die EU-Kommission

Miriam Hartlapp hat nicht einen, sondern zwei Jobs. Von neun bis drei versucht sie herauszufinden, „wie die europäische Kommission tickt“. Von drei bis abends um acht kümmert sie sich um ihre beiden Töchter. Danach forscht sie wieder bis Mitternacht an ihrem Schreibtisch zu Hause. Während manche Mutter über die Doppelbelastung schimpfen würde, strahlt die 33-Jährige: „Ich habe das Beste aus zwei Welten: vormittags und abends Wissenschaft auf hohem Niveau – am Nachmittag ab drei Uhr ausführlich meine Töchter. Was kann ich mehr wollen?“

Miriam Hartlapp ist nicht etwa prekär beschäftigt, sondern sie ist Forscherin am Wissenschaftszentrum Berlin. Und sie ist Mutter. Beide Aufgaben sieht sie als Topjobs an. In dem einen geht sie mit ihren Töchtern spazieren, füttert sie, spielt mit ihnen, bereitet sie aufs Leben vor. In dem anderen ist Dr. Miriam Hartlapp eigenständige Leiterin einer sogenannten Nachwuchsgruppe. Das bedeutet: „Ich arbeite nicht für einen Direktor, sondern für mich. Ich kann die Forschung machen, die mich interessiert und die mich auch weiterbringt.“ Das Projekt heißt „Positionsbildung in der EU-Kommission“. Hartlapp will dabei herausfinden, wie die Regierung der Europäischen Union intern zu ihren politischen Haltungen und Vorhaben kommt.

Hartlapps Forschungsauftrag ist über eine halbe Million Euro wert. Bezahlt wird er von der Volkswagenstiftung in Hannover, und er stammt aus einem speziellen Programm, an dem nicht jeder Wissenschaftler teilnehmen kann. Die Schumpeter Fellowships richten sich an herausragende Nachwuchsforscher, die ihren Doktor mit mindestens einem „magna cum laude“ gebaut haben. Sie müssen ein Projekt vorschlagen, das es rechtfertigt, fünf Jahre lang in sie und die zu erwartenden Erkenntnisse zu investieren. Sie können dann sogar eigene Leute einstellen – in Hartlapps Fall zwei Doktoranden und eine studentische Hilfskraft. In Deutschland werden jedes Jahr acht bis zehn Schumpeter Fellows berufen. Es werden nur „exzellente junge Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaftler gefördert, die mit ihren Projekten Neuland erschließen“.

Hartlapp ist es gewohnt, Spitzenforschung zu machen. Sie absolvierte parallel „Europäische Studien“ in Osnabrück, Madrid und Poitiers, wechselte ans Max-Planck-Institut für Gesellschaftswissenschaften in Köln, wo sie sich weiter mit Europa und dem „Neuen Regieren“ befasste. Zwischendurch war sei bei der internationalen Arbeitsorganisation in Genf. Aber sie ist gern in die Wissenschaft zurückgekehrt. „Es macht mir Spaß, eine Sache zu Ende denken zu können. Selbst hochrangigen Mitarbeitern einer Spitzenbehörde kann es ja passieren, dass sie ein gutes Papier machen – aus dem keine Politik wird.“ CHRISTIAN FÜLLER