Flickschusters Werk

Eine Halbzeit zu früh gefreut: St. Pauli verspielt eine 2:0-Führung gegen zehn Dresdner Dynamos

Die Szenen nach der ersten Halbzeit haben viele Glauben machen, St. Pauli hätte mal wieder ein Spiel gewonnen. Die Spieler winkten ins Publikum und freuten sich, dass sie gegen das favorisierte Team aus Dresden mit 2:0 in Führung lagen. Stürmer Festus Agu brachte St. Pauli durch zwei pfiffige Aktionen zur Halbzeit in Feierlaune.

Zu früh, wie sich nach 90 Minuten herausstellen sollte. St. Pauli-Trainer Franz Gerber zog Cory Gibbs zusätzlich vom defensiven Mittelfeld zurück in die Abwehr und beschwerte sich hinterher. „Das Loch im zentralen Mittelfeld konnten wir nicht stopfen“, entschuldigte sich der gern als Flickschuster bezeichneteTrainer. „Auf der Bank hatten wir einfach nichts Adäquates mehr sitzen. Wir sind eben dünn besetzt, aber viele wollen das im Verein ja nicht sehen. Sollen sie doch weiter die Augen verschließen“, geht Gerber erneut beimThema Neuverpflichtungen in die Offensive.

Doch die zwei unglücklichen Szenen – in der 70. Minute rutschte St. Paulis Brückner der Ball ins eigene Netz, und in der 80. pfiff Schiedsrichter Hoyzer einen umstrittenen Elfmeter für Dresden, den der Ex-St. Paulianer Christian Fröhlich mit dem Nachschuss verwandelte – als Alibi für ein nicht gut genug besetztes Team zu nutzen und entgegen der Sparpolitik des Vereins neue Spieler zu fordern, war Gerber selbst zu dünn. Durchaus erkannte er ein engagiertes Auftreten seines Teams, selbst wenn, wie er auch betont, „den jungen Oberligaspielern die Erfahrung fehlt“.

Für die Ruhe im Verein wünschte man sich diplomatischere Worte im Stile des Gästetrainers Christof Franke, der die Forderung seines Spielers Fröhlich nach Neuverpflichtungen nicht teilt: „Wir haben eine ordentliche Mannschaft zusammen, deren Probleme nicht durch neue Spieler zu lösen sind, sondern von den Spielern selbst.“ Ähnlich sehen es auch die Spieler von Gerber. „Wir werden von Spiel zu Spiel besser“ (Rico Hanke). „Wir haben uns dumm angestellt“ (Andreas Mayer).

Das wenigstens haben die Fans von Dynamo Dresden unterlassen. Die Befürchtung, einigen Sachsen könnte die Sicherung durchbrennen, veranlasste die Hamburger Polizei dazu, das Millerntor zum Sicherheitstrakt umzugestalten. Statt 20.000 Zuschauern durfte St. Pauli nur 18.600 ins Stadion lassen. „Das sind Karten im Wert von 15.000 Euro, die wir nicht verkaufen konnten“, so St. Paulis Verwaltungsleiter Frank Fechner.

Eine Erklärung für die erneut nicht geholten Punkte beim 2:2 ist dies allerdings kaum. Denn das einzige Kapital des Vereins – die Fans – blieben noch zwanzig Minuten nach Spielende im Stadion, um der Polizei zu zeigen, dass auch sicherheitsrelevante Spiele am Millerntor ausgetragen werden können, nachdem einige Spiele bereits in die AOL-Arena vom HSV verlegt werden sollten. Ein Szenario, der St. Pauli auch noch die letzten Punkte kosten könnte. FOG