Aufbruch in eine ungewisse Saison

Die Spieler von Borussia Dortmund haben wieder Spaß am Fußball. Mit dem Stamm der Meistermannschaft 2002 plus neuem Trainer werden vergleichsweise bescheidene Ziele angepeilt. Der Uefa-Cup soll es aber schon sein

Der Ernüchterung soll die Konsolidierung folgen. Mit neuem Trainer und alten Spielern

DORTMUND taz ■ David Odonkor, 20-jähriger Nachwuchsstürmer von Borussia Dortmund, hat wieder Spaß am Fußball. Das konnte man beim 1:0-Sieg der Dortmunder im UI-Cup-Hinspiel in Genk sehen, als er den Siegtreffer für seine Mannschaft erzielte. Laut Odonkor geht diese neue Unbeschwertheit vor allem auf das neue Trainerteam rund um Chefcoach Bert van Marwijk und seinen Assistenten Dick Voorn zurück.

Lange Waldläufe, wie sie van Marwijks Vorgänger Matthias Sammer praktizieren ließ, gehören der Vergangenheit an. Stattdessen trimmt “Evil Dick“ die Kicker mit Übungen, bei denen immer die Arbeit mit dem Ball im Vordergrund steht. „Diese Philosophie ist gut für uns Brasilianer“, freut sich Odonkors Sturmkollege Ewerthon.

Dass der einstige Weltpokalsieger überhaupt in der Uefa-Intertoto-Runde antreten muss, liegt daran, dass die Borussen am letzten Spieltag der vergangenen Saison die direkte Qualifikation für den Uefa-Pokal noch vergeigt hatten. Ein Sieg in Kaiserslautern hätte gereicht, heraus kam nur ein enttäuschendes 1:1. Franz Beckenbauer verschmähte den Uefa-Cup einst als „Cup der Verlierer“ – die Borussia würde sich schon zu den Gewinnern zählen, wenn sie sich im kommenden Herbst mit Europas Verlieren messen dürfte. Das würde die ein oder andere Euro-Million in die leeren Kassen spülen.

Wie leer die Kassen genau sind, weiß im Moment niemand so recht, da es der Vorstand um Dr. Gerd Niebaum versteht, die Öffentlichkeit möglichst umfassend im Unklaren zu lassen. Der Halbjahresbericht wies im Januar rund 30 Millionen Euro Minus auf – auf das ganze Geschäftsjahr gerechnet werden es laut Experten 50 Millionen sein. Jedenfalls braucht der Verein Geld und dementsprechend sieht auch die derzeitige Personalpolitik aus. Mit Sunday Oliseh und Florian Kringe wurden zwei Akteure zurückgeholt, die zuletzt an andere Vereine ausgeliehen waren. Mit Oliseh wollte sich der BVB eigentlich nur noch vor dem Arbeitsgericht treffen, machte aber im letzten Moment einen Rückzieher und hob die fristlose Kündigung für den Nigerianer überraschend auf, um ihn in Gnaden wieder aufzunehmen. Der andere, Kringe, sammelte in den letzten zwei Jahren Spielpraxis beim 1. FC Köln und wird den Fans nun als Verstärkung präsentiert.

Definitiv gehen durfte stattdessen Nationalspieler Torsten Frings. Für neun Millionen Euro ging er im Sommer zu seinem „Traumverein“ Bayern München. Sturm-Diva Marcio Amoroso wäre auch gerne gewechselt und provozierte zusammen mit seinem „Leibarzt“ Nivaldo Baldo in den vergangenen Monaten seinen Rausschmiss. Zumindest hat er erreicht, dass er seit August 2003 kein Spiel mehr bestritten hat. Zukunft: unklar.

Ein personeller Neuanfang hat also nur auf der Trainerbank stattgefunden. Und dabei soll der von Feyenoord Rotterdam gekommene van Marwijk nicht weniger schaffen, als die sportliche Talfahrt der letzten Jahre zu stoppen, indem er mit einer jungen Mannschaft obendrein schöneren Fußball spielen lässt als zuletzt Sammer. Es mehren sich die Anzeichen, dass van Marwijk dieser Balance-Akt gelingen könnte. Zum einen wurde die Auslage des BVB nicht gänzlich geplündert – die tschechischen EM-Stars Rosicky und Koller fanden zumindest bis jetzt noch keinen zahlungskräftigen Abnehmer. Obwohl vor allem Rosicky in regelmäßigen Abständen vom Wechsel träumt. Zum anderen macht nicht nur der immer noch verletzte Kapitän Christoph Metzelder eine neue Begeisterung in der Mannschaft und im Umfeld des Vereins aus, „die im letzten Jahr irgendwie gefehlt hat.“ Auch bei den Fans: bereits über 47.000 Dauerkarten wurden verkauft.

LENNART SCHMID