Die Tendenz steigt

Der SC Freiburg minimiert in Berlin seine Fehler – und lässt Hertha weiter auf den ersten Saisontreffer warten

BERLIN taz ■ So ein Fußballspiel darf man sich ja immer auch als netten Ausflug vorstellen. Ein paar junge Männer treffen sich, steigen zu Hause ein in den Bus, ein paar hundert Kilometer weiter wieder aus, und dazwischen dreschen sie Karten, schauen Video oder dösen einfach vor sich hin. Horden von Kegelclubs machen das so, Gesangvereine nicht minder – und natürlich Schulklassen. Dann geht es in erster Linie um die Weiterbildung, und der Herr Lehrer wacht mit gestrengem Blick darüber, dass alle schön mitmachen und lernen.

Volker Finke hat am Samstag gar nicht streng dreingeschaut, sondern eher gut gelaunt, noch mehr aber: ziemlich zufrieden. Die Exkursion nach Berlin war für ihn und seine Klasse ja auch nicht schlecht verlaufen, ganz im Gegenteil: „Wir haben ganz geschickt gespielt und ganz gut zusammengearbeitet“, beurteilte der Freiburger Fußballlehrer das Ergebnis der Studienfahrt in die Hauptstadt, in Zahlen ausgedrückt ergab das ein 0:0 zwischen dem SC Freiburg und der Berliner Hertha. „Damit können wir leben“, fand Finke, schließlich ist Freiburg Aufsteiger und Berlin selbst erklärter Champions-League-Kandidat. Neben diesem Umstand am meisten Freude dürfte dem 55-Jährigen bereitet haben, dass diesmal auch am Ende die Null stand – und zwar auf der richtigen Seite. In den ersten beiden Saisonspielen hatten die Freiburger ja gleich sechs Treffer kassiert, was deutlich zu viel war – und auch im Breisgau Schelte nach sich zieht. „Es gibt einen Umstellungsprozess nach dem Aufstieg, aber ich bin guter Dinge, dass dieser ganz schnell abgeschlossen sein kann“, hatte Finke deshalb auf vorschnelle Kritiken entgegnet, am Samstag durfte er sich bestätigt sehen. Der SC hat schnell gelernt.

Ohnehin hatte der Freiburger Übungsleiter stets darauf verwiesen, dass die Torflut keineswegs allein der Defensive zuzuschreiben sei; so einfach sind die Dinge im Freiburger Fußballkollektiv nämlich nicht geregelt. Zu viele Ballverluste im Mittelfeld, dem Herzstück des SC-Spiels, zu nachlässiges Nachrücken in der Folge – darin lag der Fehler im System. In Berlin war davon kaum noch etwas zu sehen. Nur knapp eine Viertelstunde dauerte es, ehe die Badener die Vorherrschaft im Mittelfeld an sich gerissen hatten, richtig nehmen ließen sie sich die bis zum Schlusspfiff nicht mehr. Coulibaly übernahm die Hebel in der Schaltzentrale, was er deutlich fehlerreduziert tat; ein Stückchen weiter vorne wiederum sorgte Alexander Iaschwili bisweilen für ganz schönes Durcheinander, während der viel gelobte Zlatan Bajramovic ein Stückchen dahinter diesmal eher unauffällig blieb, dafür aber auch deutlich mehr seine Position im defensiven Mittelfeld hielt als zuletzt. Zwar hatte Finke dem 24-Jährigen öffentlich einen Freibrief für seine Sturm- und Drang-Phasen ausgestellt, gleichzeitig aber wurden diese als Urquell des ein oder anderen Gegentreffers ausgemacht, auch weil es an Absicherung mangelte. „Heute hat er es besser gemacht“, fand Finke nun. Und auch Bajramovic selbst war mit seinem Auftritt nicht unzufrieden. „Ich wollte zu null spielen, damit es nicht wieder heißt, wir hätten da hinten ein Problem“, stellte der Mann aus Bosnien-Herzegowina erleichtert fest, nicht verschweigend, dass er sich durchaus darüber wunderte, wie leicht das unterm Strich doch war: „Die Chancen von Hertha waren ja fast nur Glücksdinger, da war nichts wirklich Rausgespieltes dabei.“ Wie sollte es auch, wo die Berliner doch ihren verletzten und bisweilen genialen Ideengeber, den Brasilianer Marcelinho, durch einen ideenlosen Brachialkicker wie Zecke Neuendorf ersetzen müssen und dem Spiel somit automatisch jedweder Geistesblitz abgeht, was sich mittlerweile, trotz Neuzugang Bobic, in 270 Minuten ohne Tor niederschlägt?

„Nur noch unorganisiert“, sah SC-Keeper Golz gegen Ende des Gegners Angriffe auf sein Tor zukommen, was kurz den Gedanke in ihm habe aufkeimen lassen: „Jetzt können wir hier sogar gewinnen.“ Dass Cairo eine Minute vor Schluss frei stehend an Hertha-Keeper Kiraly scheiterte, bestätigte diese Ahnung nur, am Urteil des Keepers änderte es nichts: „Unsere Tendenz ist steigend, basta!“. Dann fuhren Golz und seine Kameraden zurück nach Hause. FRANK KETTERER