Eine neue Anlageentscheidung

Sollte man bei einer Kapitalerhöhung seine Bezugsrechte ausüben – oder verkaufen?

Eine allgemein gültige Antwort auf die Frage, ob Anleger an Kapitalerhöhungen ihrer Gesellschaften teilnehmen sollen, gibt es nicht. Vorab sollte der Anleger seine persönliche Anlagesituation klären. Gibt es liquide Mittel, die man eventuell in ein verstärktes Aktienengagement stecken möchte? Ist das der Fall, geht es anschließend um die Frage, ob man, wenn die Chancen stimmen, das Engagement gerade in dieser Gesellschaft erhöhen möchte. Oder ist diese Aktienposition schon so gewichtig im Depot, dass bei einer weiteren Aufstockung die gesunde Risikostreuung Schlagseite bekommt? Dann nimmt er an der Kapitalerhöhung nicht teil, verkauft die Bezugsrechte und vermindert damit sein Engagement in dieser Aktie.

Die wichtigsten Fragen betreffen jedoch das die Kapitalerhöhung durchführende Unternehmen. Hat die Verwaltung plausibel dargestellt, dass mit den neuen Mitteln an den Märkten neue Chancen wahrgenommen werden können? Kommt klar zum Ausdruck, dass die neuen Mittel im Unternehmen mindestens die gleiche Rendite erzielen wie das schon im Unternehmen arbeitende Kapital? Kommt der Anleger hier zu einem negativen Urteil, weil sich zum Beispiel keinerlei neue Wachstumschancen eröffnen, sondern nur ein zu hohes Fremdkapital abgelöst werden soll, dann macht er bei der Kapitalerhöhung nicht mit, verkauft seine Bezugsrechte und unter Umständen auch gleich die ganze Aktienposition.

Fällt diese Chancenabwägung hingegen positiv aus, bleibt noch die Frage zu klären, in welchem Ausmaß der Anleger an der Kapitalerhöhung teilnimmt. Er kann einen Teil der Bezugsrechte verkaufen, sodass er von dem Verkaufserlös genau die auf den Rest der Bezugsrechte zu beziehenden jungen Aktien bezahlen kann (operation blanche). Er setzt also keine neuen Mittel ein. Oder er kann auch alle Bezugsrechte ausüben und damit sein Engagement in dieser Aktie aufstocken. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) weist darauf hin, dass ein Bezugsrecht kein Geschenk der Gesellschaft an den Altaktionär und auch kein Sonderertrag ist, sondern ein von seiner Altaktie abgeschnittenes Stück Substanz. Dieses wird zusammen mit dem Bezugspreis für die junge Aktie zu einer neuen Aktie zusammengefügt.

BRUNO HIDDING