Nur vor dem Kanzleramt müffelt es

Ins Gesundheitsministerium zieht es die Alten und Lahmen, zur Bundeswehr die Waffenfreunde. Und Joschka Fischer lässt für den „Tag der offenen Tür“ der Bundesregierung sogar Staatsgeschenke auffahren, die er sonst nicht ansieht

BERLIN taz ■ Von der millionenteuren Baustelle des Lehrter Bahnhofs zieht Kanalisationsgeruch herüber – und aus einer Drehorgel vor dem Kanzleramt dröhnt an diesem Sonntagmorgen: „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft!“ Die Regierung hat ihre Bürger am Wochenende zum Tag der offenen Tür geladen.

In den großen Vortragssaal des Gesundheitsministeriums sind vor allem Alte und Gebrechliche gekommen. Ulla Schmidt spricht unverdrossen von ihrer großen Reform. Ein etwa achtzigjähriger Einarmiger tritt ein, um den Vortrag seiner Ministerin zu hören. Später redet Schmidt von Generationengerechtigkeit. Junge Menschen finden sich im Publikum kaum. Wer Stimmung sucht, marschiert lieber ins Verteidigungsministerium.

Bei Peter Struck gibt’s Erbsensuppe aus essbaren Schalen. Schon am Samstag sind davon 1.500 Portionen ausgeschenkt worden, meldet der Soldatensender Radio Andernach life aus dem Bendlerblock. Gut gelaunte Fachsimpeleien zwischen den Gastgebern in Uniform und ihren Gästen in Zivil vermitteln den Eindruck: Beide Seiten sind sich einig – die Bundeswehr muss weg vom Image der Luschentruppe. Stolz werden den Waffenbegeisterten neue Ausrüstung, Kampftaucheranzug und ein wahrhaftiger, in der Sonne blitzender Eurofighter vorgeführt. Lektion verstanden: Die Bundeswehr ist Hort friedliebender Ärzte, kompetenter IT-Spezialisten und sprachbegeisterter Dolmetscher. Sogar ihre Uniformen sind schön – vor allem die der Feldjäger in Lederhosen – und ihre Marschmusik ist weltberühmt. Eine CD mit den größten Welterfolgen gibt es als Andenken dazu.

In Sachen Mitbringsel sieht es im Auswärtigen Amt dagegen schmal aus: Jutetasche, Billigkuli und ein Ansteckpinn. Wer einmal einen Blick ins Büro von Herrn Fischer werfen möchte, muss eine Weile auf dem Flur stehen. „Außenminister Gerhard Schröder, 1961–66?“, wundert sich eine Hand voll Schüler beim Anblick von Fischers Ahnengalerie. „Das war ein anderer Schröder“, belehrt ein Weißhaariger. Und klärt die Jugendlichen über Willy Brandt auf. Außenminister sei der gewesen und dann gleich Bundespräsident geworden. Bundespräsident? „Ja, so war das damals“, erinnert sich auch seine Frau. „Der Joschka müsste seinen Schreibtisch mal aufräumen“ , mahnt die Rentnerin aus Peine nach dem Blick ins Ministerbüro an. So viel stehe da sonst nicht herum, beschwichtigt eine Sicherheitsfrau. Die Kristallfigürchen, afrikanische Masken und Holzschnitzereien wurden aus dem Fundus der Staatsgeschenke gekramt – um den Besuchern etwas zu bieten. LAURA MÜLLER