Wenn die Lichter aus bleiben

Was eine Liberalisierung des Strommarkts auch in Europa bedeuten kann, wissen die Schweden: Sie bleiben schon mal tagelang ohne Strom. Grund: Die Energiekonzerne sparen an den Reparaturtrupps

STOCKHOLM taz ■ Im Januar und Februar des letzten Jahres herrschte ein kalter, aber nicht besonders strenger Winter in Schweden. Hunderttausende werden ihn nicht so schnell vergessen. Teilweise über eine Woche waren zehntausende von Haushalten, tausende von Bauernhöfen und hunderte von Fabriken ohne Strom. Und damit auch ohne Wasser und meist ohne Wärme.

Dass bei im Winter nun mal üblichen Stürmen und Schneefällen Bäume und Äste über Leitungen fallen, war nicht neu. Doch anders als früher war nicht gleich ein Reparaturtrupp an Ort und Stelle, um nach wenigen Stunden die Versorgung wiederherzustellen. Die Netzunternehmen – meist Tochterfirmen der Stromproduzenten – hatten nämlich mittlerweile Personal eingespart. Und seit Jahren schon hatte man immer weniger in den Unterhalt der Leitungsnetze investiert – trotz saftig gestiegener „Netzabgaben“, fester Abgaben, die bei sparsamen Privathaushalten höher als die eigentlichen Verbrauchsabgaben sein können.

„Bereitschaftspersonal war den Netzunternehmen zu teuer geworden“, stellte Sture Ericsson, Chef der Behörde für zivile Bereitschaft, fest: „Wir haben hier eine deutliche Konsequenz der Liberalisierung des Strommarkts.“ Neben der Distributionsseite hatten auch die Einsparungen auf der Produktionsseite ihren Teil zum Stromchaos beigetragen. Im mit 8 Millionen EinwohnerInnen vergleichsweise zu einem „Minimarkt“ gewordenen Schweden, das sich mittlerweile die schwedische Vattenfall, die finnische Fortum und die deutsche Eon untereinander aufgeteilt haben, wird nicht mehr in neue Kraftwerke investiert. Im Gegenteil. Die gerade bei extremen Wetterlagen für örtliche oder regionale Versorgung wichtigen Öl- und gasbefeuerten Reservekraftwerke wurden als zu teuer eingemottet. Es ist für die übernational agierenden Konzerne billiger, im Fall eines Stromengpasses über ein kräftig ausgebautes Netz von Unterwasserkabeln Strom dorthin zu transportieren, wo gerade Geld verdient werden kann.

Inzwischen versucht der Gesetzgeber der mangelnden Versorgungssicherheit auf dem seit 1996 deregulierten schwedischen Strommarkt mit neuen gesetzlichen Auflagen, unter anderem Schadenersatzbestimmungen, zu begegnen. Er will es für die Stromkonzerne teurer machen, nicht in den Unterhalt ihrer Netze zu investieren. Noch sind die „Strafen“ – die Verpflichtung je nach Dauer des Stromausfalls Teile der Netzabgabe zurückzuzahlen – allerdings viel zu gering, um zu umfassenden Neuinvestitionen in die Versorgungssicherheit zu verlocken. REINHARD WOLFF