US-Wirtschaft wieder unter Strom

Der große Blackout ist vorbei. Für Einzelne ist der Schaden beträchtlich. Für die US-Wirtschaft insgesamt war der Stromausfall bloß ein Ärgernis

Für Detroit ein Glücksfall, sagt eine Analystin: „Sie können ihre überfüllten Autohalden abbauen“

aus New York NICOLA LIEBERT

Das Leben an der Ostküste der USA kehrte am Wochenende nach dem bislang größten Stromausfall in Nordamerika langsam wieder zur Normalität zurück. Doch dass ein Blackout enorme wirtschaftlichen Auswirkungen hat, konnte man in New York sehr sinnlich wahrnehmen: Es stank nach Lebensmitteln, die in der schwülen Hitze vor sich hin gärten.

Großflächig wurden verdorbene Lebensmittel aus den Kühlfächern geräumt. „Das waren allein schon 400 Dollar an Eiscreme und Belag für meine Sandwichs, die ich verloren habe“, jammerte der pakistanische Besitzer eines kleinen Ladens in Manhattan. Er wollte sich mal bei seiner Versicherung nach Schadenersatz erkundigen, doch sehr zuversichtlich war er nicht.

Die wenigsten Versicherungen decken Schäden durch Stromausfälle mit ab, und selbst wenn, dann greifen die Policen meist erst bei Blackouts von mehr als 24 Stunden. Die meisten betroffenen Regionen hatten aber ihren Strom schneller wieder zurück. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das Versicherungsgewerbe nicht mit größeren Belastungen wegen des Blackouts rechnen muss, anders als etwa bei der Zerstörung des World Trade Centers.

Die meisten Geschäfte und Restaurants blieben für die Dauer des Blackouts einfach geschlossen – mit entsprechenden Umsatzausfällen. Zahlreiche Industriebetriebe mussten ebenfalls dichtmachen. Die großen Autofabriken in der Gegend von Detroit wurden durch den Stromausfall lahm gelegt. „Keine Ahnung, was uns das kosten wird“, kommentierte ein General-Motors-Sprecher lediglich. Eine Branchenanalystin glaubt sogar, dass der Produktionsausfall ein Glücksfall für die Branche war: „So können sie ihre überfüllten Halden abbauen.“ Dass auch Ölraffinerien lahm gelegt wurden, könnte allerdings zu einem zeitweiligen Anstieg der Benzinpreise führen.

Einige andere Branchen lecken noch ihre Wunden. Vor allem die New Yorker Flughäfen kämpften am Wochenende noch um die Rückkehr zum normalen Flugplan, nachdem hunderte Flüge ausgefallen waren. Die US-Fluglinien verlieren etwa 100 Millionen Dollar an Umsätzen an jedem Tag, an dem sie nicht fliegen können, schätzt ein Branchenverband.

An der Wall Street, die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geschworen hatte, dass es niemals wieder zu so langen Handelsausfällen kommen sollte, funktionierten die Notfallpläne einigermaßen. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg läutete am Freitag pünktlich um 9.30 Uhr die Eröffnungsglocke, aber viele Händler schafften es mangels funktionierender U-Bahn nicht bis zu ihrem Arbeitsplatz, und viele Kunden waren mehr mit den Auswirkungen des Stromausfalls beschäftigt als damit, neue Aktien zu ordern. Immerhin konnten die wichtigsten Aktienindizes ganz leicht anziehen – wohl aus Erleichterung darüber, dass es kein Terroranschlag war, wie viele zunächst heimlich befürchtet hatten.

Mark Zandi vom Informationsdienst Economy.com glaubt ohnehin nicht, dass der Blackout eine nachhaltige Belastung für die Konjunktur bedeutet. „Es war ein Ärgernis und eine Unterbrechung, aber die Produktionsausfälle werden bald wieder aufgeholt.“ Heftiger Schneefall, der zum Beispiel im vergangenen Winter Teile der Ostküste lahm legte, würde mindestens so große Störungen für die Wirtschaft mit sich bringen. Der private Konsum sei aber in solchen Fällen nur aufgeschoben und nicht aufgehoben.

Einige Branchen könnten sogar profitieren. Restaurants und Lebensmittelketten müssen verdorbene Lebensmittel nachkaufen. Baumärkte bereiten sich bereits auf den großen Run auf Dieselgeneratoren vor. Mittelfristig dürften einige Unternehmen sogar in alternative Energiequellen investieren, hoffen Umweltgruppen. Und schließlich wird die Regierung früher oder später dafür sorgen, dass neue Investitionen in das überlastete Stromnetz getätigt werden.