Verfrühte Genossen

CDU und Grüne in Bremerhaven fühlen sich zum Wahlkampfauftakt überrumpelt: Die SPD hat vorzeitig ihre Plakate geklebt

Bremerhaven taz ■ Am Sonnabend feierte ein Bremerhavener Rechtsanwalt seinen Geburtstag mit einer schicken Gartenparty. Alles was Rang und Namen hatte, zählte zu den Gratulanten. Doch die Stimmung zwischen den feiernden Großkoalitionären von CDU und SPD war angespannt an diesem Abend. Grund war der vorangegangene Abend. Da waren nämlich Sozialdemokraten durch die Seestadt gezogen, um ihre Plakate für die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung am 28. September aufzuhängen – derweil die CDU-Aufsteller und Plakate noch im Lager schlummerten. Die begehrtesten Plätze konnten sich somit die Genossen unter den Nagel reißen.

Und das zu Recht, wie es scheint. Am Freitag war nämlich bei allen Parteien eine Genehmigung der Polizei zur Aufstellung der Schilder gelandet. Mit einem dicken Fehler, wie Verwaltungspolizeichef Horst Keipke jetzt einräumt. Statt 17. August 0 Uhr war der 16. August in dem Schreiben als Aufstelltermin genannt. Dabei steht im Ortsgesetz, dass Plakate frühestens sechs Wochen vor einer Wahl aufgestellt werden dürfen. Ein Widerruf sei jedoch nicht mehr möglich gewesen, so Keipke. Der wäre nämlich zu spät bei den Parteien angekommen.

Und so bewies der Bremerhavener Unterbezirk der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, dass man eben doch eine pragmatische, flexible und schnell reagierende Partei ist. Am Nachmittag klingelte bei Parteichef Siegfried Breuer das Telefon. Das Parteibüro gab ihm durch, so Breuer jetzt, dass man „schon heute statt morgen die Plakate aufstellen“ könne. „Wir sind daraufhin los, haben die Lieferwagen, die eigentlich erst für den nächsten Tag geordert waren, bei Sixt und Kötter abgeholt und derweil noch rund vierzig Mann per Telefon mobilisiert.“ Erst während der Fahrt seien ihm Zweifel am Inhalt der Genehmigung gekommen. Die Verwaltung habe die auf Nachfrage jedoch ausräumen können.

Und die CDU? Die war derweil mit den meisten Spitzenleuten bei der Eröffnung des Bremerhavener Freimarktes. „Da waren relativ wenig Sozialdemokraten“, wundert sich Fraktionschef Paul Bödeker. Kein Wunder sei das im Nachhinein. In die Feier platzte dann die Nachricht von der klebenden SPD. Kämmerer Michael Teiser, unumschränkter zweiter Mann der CDU, sprang daraufhin im Dreieck: Er rief Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) an, der auch auf SPD-Plakten abgebildet ist, um die Sache erklärt zu bekommen. Zufrieden ist Teiser mit der Antwort von Schulz, der auch Polizeidezernent ist, bis heute nicht: „Der lässt weiterkleben, obwohl hier gegen ein Ortsgesetz verstoßen wird.“ Seine Fraktion werde den Vorgang im Polizeiausschuss klären lassen.

Teisers Parteifreund Bödeker hat bereits angekündigt, eine Sondersitzung zu beantragen. Dabei kann er sich auch auf die Grünen verlassen. Deren Fraktionschef Hans-Richard Wenzel spricht sogar offen von einem abgekarteten Spiel zwischen Verwaltung und SPD – wörtlich: „Ich glaube, dass die SPD den Koalitionspartner ausgetrickst hat.“

SPD-Mann Breuer weist das von sich. Er bedauert die Verstimmung bei der CDU: „Bei der Geburtstagsparty wollte Herr Teiser erst gar nicht mit mir sprechen.“ Dafür blieb etwas mehr vom Büffet für die Gäste von der SPD. Die meisten CDU-Leute mussten nämlich früh los: Plakate kleben. Philipp Jahn