US-Armee: 94 Folterfälle

US-Bericht nennt erstmals Zahlen über Misshandlungen in Irak und Afghanistan. Das Ergebnis ist unerwartet hoch

WASHINGTON ap ■ US-Soldaten haben im Irak und in Afghanistan offenbar weit mehr Gefangene misshandelt als bislang angenommen. Ein gestern in Washington in Auszügen veröffentlichter Untersuchungsbericht der US-Streitkräfte zählt insgesamt 94 bestätigte oder angebliche Fälle von Misshandlung und Erniedrigung auf. Der Bericht durchleuchtet den Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis zum 9. Juni dieses Jahres und ist die bislang umfassendste Untersuchung von Misshandlungen in Irak und Afghanistan. Das Verteidigungsministerium hatte sich bislang geweigert, die Gesamtzahl aller Missbrauchs-Vorwürfe bekannt zu geben. Die Zahl 94 übertrifft alle früheren Schätzungen des Pentagons. Die Streitkräfte haben den Bericht noch nicht komplett veröffentlicht, machten aber während Anhörung vor einem Ausschuss des Senats Teile davon publik. Heeresminister Les Brown übernahm die Verantwortung für die Handlungen der Soldaten.

Der Untersuchung zufolge gibt es keine systemimmanenten Probleme, die zu Missbrauch geführt hätten. In einigen Fällen hätten Offiziere, die sich nicht an die Vorschriften gehalten hätten, die Taten angestiftet oder ermöglicht. Allerdings widerspricht sich die Armee auch selbst, denn sie zitiert eine Stellungnahme des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz aus dem Februar, wonach das Militär bei den Vergehen systematisch vorgegangen sei. Seit Herbst 2001 haben die USA dem Bericht zufolge insgesamt über 50.000 Gefangene im Irak und in Afghanistan festgenommen.