Bundesbank warnt vor zu viel Optimismus

Die deutsche Wirtschaft habe ihre Stagnationsphase noch nicht hinter sich, sagt der Bankbericht für August.EU-Kommissar Pedro Solbes droht mit Konsequenzen, falls Deutschland auch 2004 zu hohe Schulden aufnimmt

FRANKFURT/M. rtr/afp/taz ■ Die erhoffte Konjunkturwende in Deutschland ist nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank trotz zunehmender Anzeichen für eine Erholung der Weltwirtschaft noch nicht absehbar. Die Bundesbanker sehen lediglich die Chance, dass die deutsche Wirtschaft ihre Stagnation zu überwinden beginnt.

In ihrem gestern veröffentlichten Monatsbericht für August schreibt die Bundesbank, dass die Unternehmen die Exportaussichten weiter sehr skeptisch beurteilten. „Gleichwohl bleibt die Chance gewahrt, dass sich die Wirtschaft im weiteren Verlauf dieses Jahres wieder fängt und später dann von ihrer bisherigen stagnativen Grundtendenz löst.“ Die Bundesbank rechnet wie viele Banken und Volkswirte für das laufende Jahr bestenfalls mit einem minimalen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,1 bis 0,2 Prozent. Die offizielle Wachstumsprognose der Bundesregierung liegt allerdings noch bei 0,75 Prozent für 2003.

Deutlich günstiger als die Perspektiven für die deutsche Wirtschaft beurteilt die Bundesbank die Aussichten für die Weltkonjunktur. „Inzwischen mehren sich auch die Anzeichen für eine Belebung des globalen Wachstums in der zweiten Jahreshälfte 2003“, heißt es im Monatsbericht. Dazu trügen auch die historisch niedrigen Leitzinsen in den USA und der Euro-Zone bei. Zusätzliche Impulse erwartet die Bundesbank durch die beschlossenen Steuererleichterungen in den Vereinigten Staaten.

Das von der Bundesregierung geplante Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform um ein Jahr auf 2004 ist aus Sicht der Bundesbank zwar wegen einer deutlichen Senkung der Einkommensteuersätze grundsätzlich zu begrüßen. Die Bank warnt jedoch davor, zu viel neue Staatsschulden aufzunehmen. Die Bundesregierung plant, die für den Bund durch die Steuerreform um rund sieben Milliarden Euro sinkenden Einnahmen weitgehend durch neue Schulden, aber auch durch Privatisierungserlöse und Subventionsabbau auszugleichen. Das von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) geplante Defizit der öffentlichen Haushalte liegt bei knapp unter drei Prozent des Bruttoinlandproduktes. Dass diese Verschuldungsgrenze des Europäischen Vertrages von Maastricht im Jahr 2004 tatsächlich eingehalten wird, ist aber zunehmend unwahrscheinlich. Bereits 2002 hatten die Finanzminister das Ziel verfehlt. 2003 wird die öffentliche Schuldenaufnahme gleichfalls höher ausfallen.

Die EU-Kommission könnte nach Angaben von EU-Währungskommissar Pedro Solbes bereits Ende dieses Jahres vorschlagen, Deutschland Auflagen für seine Haushaltspolitik zu machen. „Wenn Deutschland die Defizitschwelle von 3,0 Prozent im kommenden Jahr überschreitet, werden wir dem Ecofin-Rat eine neue Empfehlung vorlegen“, sagte Solbes. Die Kommission könne diesen Vorschlag schon dann unterbreiten, wenn ihre Prognose im November ein deutsches Defizit von deutlich mehr als drei Prozent vorhersage.

Unter anderem fordert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin), das Defizitkriterium durch andere Maßnahmen zu ersetzen. Sonst könne die gegenwärtige Stagnation zur Deflation werden. KOCH