Tchibo-Erben sind doch nicht herzlos

Nach jahrelangem Zwist in der Familie Herz beschloss die Tchibo-Hauptversammlung gestern: Patriarch Günter Herz und seine Schwester Daniela werden mit vier Milliarden Euro ausbezahlt. Restliche Geschwister wollen die Firma Beiersdorf übernehmen

aus Hamburg PETER AHRENS

Die Zukunft zweier Hamburger Traditionsunternehmen hängt davon ab, ob der Familiensegen schief hängt oder nicht. Die Familie Herz, Besitzerin des Kaffeerösters Tchibo und Anteilseignerin beim Kosmetikriesen Beiersdorf, tut ihrem Namen seit Jahrzehnten keine Ehre an: Die fünf Geschwister des Tchibo-Gründers Max Herz sind alles andere als ein Herz und eine Seele – und trotzdem: Auf der gestrigen Tchibo-Hauptversammlung in Hamburg haben sie sich kurzzeitig zusammengerauft. Der langjährige Patriarch Günter Herz und seine Schwester Daniela werden gegen Zahlung von vier Milliarden Euro aus dem Unternehmen herausgekauft, damit die drei übrigen Brüder Michael, Wolfgang und Joachim den Konzern weiterführen können.

Das Chaos um die zweitreichste Familie Deutschlands begann in den 60er-Jahren. Tchibo-Gründer Max Herz starb relativ unerwartet 1965 und hinterließ ein Testament, das die Wurzel für den Dauerzwist unter den Geschwistern legte. Als letzter Wille war verfügt, dass „zwei meiner befähigsten Jungen mindestens 52 Prozent der Anteile an der Frisch-Röst-Kaffee Max Herz GmbH erhalten“ sollten. Namen nannte das Testament nicht, doch der Älteste, Günter, war überzeugt, dass zuvörderst er mit dieser Beschreibung gemeint sein musste. Ohne den Rest der Familie groß zu Rate zu ziehen, riss der damals 24-Jährige die Firmengeschäfte an sich, machte seinen drei Jahre jüngeren Bruder Michael zum Teilhaber und bedachte den Rest der Geschwister mit Abfindungen. Die Familie ließ er wissen, er erfülle damit „Papis Wünsche, sofern diese aus dem Testament hervorgehen“. Mutter Ingeburg ließ das geschehen, und seitdem hassen sich die Herzens.

Dabei ließ sich nicht leugnen, dass Günter das Unternehmen nach seinem Putsch zu immer größeren Erfolgen führte. Er kaufte sich bei Beiersdorf, dem Produzenten solcher Weltmarken wie Nivea, Tesa und Hansaplast, ein, er erwarb einen Gutteil des Tabakkonzerns Reemtsma und schluckte 1996 den bis dahin größten Konkurrenten, das Bremer Unternehmen Eduscho. Das Vermögen der Familie stieg auf nunmehr geschätzte 12,6 Milliarden Euro. Reicher sind nur noch die Aldi-Gründer Theo und Karl Albrecht.

Parallel zum geschäftlichen Erfolg wurde Günter Herz, so berichten alle, die ihn kennen gelernt haben, immer arroganter, selbstherrlicher, unnahbarer – und das vor allem gegenüber seinen Geschwistern. 1989 warf Michael frustriert das Handtuch, weil er mit seiner Rolle als ewiger Zweiter nicht mehr zufrieden war. Zu den übrigen zwei Brüdern war das Tischtuch ohnehin zerschnitten, allein Schwester Daniela hielt stets den Draht zum Firmenchef: „Wenn er nicht mein Bruder wäre, hätte ich ihn geheiratet“, ist als Zitat von ihr überliefert. Und solange Mutter Ingeburg die schützende Hand über ihren ältesten Sohn hielt, waren die Machtverhältnisse im Konzern zementiert – so, wie man es sich aus Familienseifenopern à la „Das Erbe der Guldenburgs“ vorstellt.

Die Wende kam vor drei Jahren: Die Mutter wechselte die Fronten, plötzlich hatten die Unzufriedenen in der Familie eine Mehrheit, und die nutzten sie, um Günter 2001 den Stuhl vor die Tür zu setzen. Der zog sich verbittert zurück und hat sich jetzt dennoch auf den Deal eingelassen, auch seine Anteile an Tchibo zu verkaufen. Genug Geld steht dafür zur Verfügung, seit Tchibo sich 2002 aus dem Geschäft bei Reemtsma zurückgezogen hat. Dem US-Konzern American Tobacco, der die Tchibo-Anteile kaufte, war das 4,6 Milliarden Euro wert. Wenn Günter und Daniela Herz das Unternehmen wie geplant verlassen, kann Tchibo den seit Jahren auf Eis liegenden Plan ausführen, Beiersdorf komplett zu übernehmen. Der Hauptanteilseigner an dem Kosmetikkonzern, die Allianz-Versicherung, will ihre Aktien loswerden.

Ob nach der Abfindung für Günter und Daniela allerdings bei Tchibo noch genug Geld in der „Kriegskasse“ da ist, um gegen die ebenfalls interessierten Multikonzerne Procter & Gamble oder L’Oreal um Beiersdorf mitzubieten, ist zumindest unsicher.