Rürup verdonnert Rentner zu Billigjobs

Die Vorschläge der Rürup-Kommission bedeuten das Ende eines süßen Lebens im Ruhestand: Bei einem Rentenniveau von 40 Prozent werden wir alle dazuverdienen müssen. Am 28. August sollen die Empfehlungen vorgestellt werden

BERLIN taz ■ Unsere Zukunft nach dem Normalarbeitsleben könnte in Supermärkten, Drogerien und Schnellimbissen stattfinden – als Billigarbeitskraft. Diese Branchen beschäftigen in den USA gerne RentnerInnen, deren Altersgeld nicht zum Leben reicht. Folgt die Regierung den Vorschlägen der Rürup-Kommission zur Rente, dann werden die SeniorInnen der Zukunft auf jeden Fall arbeiten.

Ohnehin sollen sie ihren Beruf ausüben, bis sie 67 sind, zudem wird aber die Rente mittels eines „Nachhaltigkeitsfaktors“, der die jeweilige Konjunkturlage berücksichtigt, weiter abgesenkt. Im Enwurf des Kommissions-Abschlussberichts taucht, wenn die Information der Welt stimmt, die unschöne Zahl von 40,1 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens im Jahr 2030 auf. Heute liegt die Rente bei 48 Prozent des Durchschnittsbruttolohns. Ohne Rürups Nachhaltigkeitsfaktor läge sie 2030 bei etwa 42 Prozent. Viele müssten dann wohl dazuverdienen, um über die Runden zu kommen.

Bis nächsten Montag wird zwar noch intern in Redaktionsgruppen gefochten, aber Kommissionschef Rürup scheint sich bei der Rente schon seit längerem gegen den Widerstand der Gewerkschafter durchgesetzt zu haben. Am 28. August soll der Bericht übergeben werden, bis dahin will sich das Sozialministerium offiziell nicht zu den unangenehmen Daten äußern.

Die Reaktionen sind, wie zu erwarten war. Während der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wendt schon über französische Lebensarbeitszeiten von 42 Jahren nachdenkt, die sich mit späterem Berufseinstieg nach hinten verschieben, weist seine Fraktionskollegin Gudrun Schaich-Walch darauf hin, dass man das Eintrittsalter doch erst einmal von derzeit 59 Jahren auf die heute anvisierten 65 hieven sollte. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz spricht sich generell für eine materielle Umverteilung zugunsten der Jugend aus. Fraktionschef Franz Müntefering dagegen übt sich im Abwiegeln. Zu den Rürup-Vorschlägen meint er: „Das ist nicht ohne weiteres das, was sich politisch auch umsetzt.“

Der Wirtschaftswissenschaftler Winfried Schmähl, der lange dem Sozialbeirat der Bundesregierung vorsaß, weist darauf hin, dass diese Pläne einem Großteil der Versicherten eine Rente unterhalb des Sozialhilfeniveaus bescherten. „Kein Mensch zahlt aber Beiträge in eine System ein, wenn es keinen fairen Gegenwert gibt“, so Schmähl. Der Trend gehe international eher in die entgegengesetzte Richtung, zu einer Grundsicherung. Die würde aus Steuern oder aus Beiträgen aller Berufsgruppen finanziert. Ausbezahlt bekäme man dann kein Äquivalent mehr, sondern nur eine Grundsicherung, der Rest müsste durch private Vorsorge erspart werden. Dieses Modell, das etwa in der Schweiz angewandt wird, belastet Reiche mehr als Arme, weil sie mehr einzahlen, aber proportional weniger Grundsicherung herausbekommen. Die Grünen, die dieses Modell früher propagierten, plädieren nun lediglich für „Altersvorsorgekonten“, auf denen privat steuerfrei für das Alter gespart werden kann. Dieses Vorhaben ändert allerdings wenig daran, dass Menschen, die zu wenig zum Sparen haben, im Alter nach dem Modell USA leben werden.

Ab Donnerstag will die Bundesregierung mit einer millionenschweren Plakatkampagne für die Agenda 2010 werben. Der Rentner bei Drospa fehlt als Motiv allerdings noch.

HEIDE OESTREICH

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