Schwimmschwäche

Genaue Zahlen über erwachsene Nichtschwimmer wurden bisher weder von Sportorganisationen noch vom Statistischen Bundesamt ermittelt. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) geht davon aus, dass jeder vierte Deutsche, der älter als sechs Jahre ist, nicht schwimmen kann. „Der Anteil ausländischer Mitbürger an der Nichtschwimmergruppe ist hoch“, sagt der DLRG-Pressesprecher Martin Janssen. So könnten überproportional viele Musliminnen nicht schwimmen – und Menschen, aus Ländern mit schlechter Infrastruktur, in denen es nur wenig öffentliche Schwimmstätten gibt.

Ähnlich wie Analphabeten verschweigen Nichtschwimmer häufig ihre sportliche Schwäche. „Viele Nichtschwimmer hatten in der Kindheit ein traumatisches Erlebnis im Wasser“, erklärt der Berliner Schwimmlehrer Rolf Just. „Wenn diese Angst nicht sofort bekämpft wird, bleibt sie bis ins Erwachsenenalter.“ Dann sei es umso schwieriger, dieses Gefühl zu überwinden.

Zusätzlich zur Furcht vor Wasser und Tiefe sei Schwimmen schwieriger, als viele denken. „Die körperlichen und koordinativen Anforderungen sind besonders für Erwachsene sehr hoch. Lediglich zwei bis drei von zehn Anfängern packen es, im ersten Kurs Schwimmen zu lernen. Kindern fällt es sehr viel leichter.“

Rolf Just stelt fest, dass immer weniger Eltern heutzutage ihren Kindern das Schwimmen beibringen. „Es fehlt ihnen häufig Zeit – und Geld. Der Eintritt in öffentliche Bäder ist schließlich sehr teuer geworden.“ Viele Kinder leiden seiner Einschätzung nach unter Bewegungsmangel. „Der Sport kommt gegen Computerspiele und Werbung nicht mehr an. Die Folge ist, dass Kinder häufig gar nicht mehr schwimmen lernen.“ Just kann sich vorstellen, dass die Zahl der erwachsenen Nichtschwimmer in den nächsten Jahren noch ansteigen wird.

Normalerweise ist ab dem dritten Grundschuljahr Schwimmen Pflichtfach an den Grundschulen. Doch weil immer mehr Bäder schließen, wegen zu langer Anfahrten und teilweisem Mangel an Sportlehrern, die Schwimmunterricht erteilen können, fällt Schwimmen an vielen Schulen aus. „Insgesamt nimmt die Schwimmfähigkeit der Bevölkerung ab“, so Martin Janssen von der DLRG.

Unsere Vorfahren nicht nur zum Spaß. Schwimmen war – wie jegliche sportliche Betätigung – eine Überlebensstrategie sowohl bei der Jagd auf Fische oder beim Tauchen nach Schwämmen und Perlen als auch im Krieg. Erste Hinweise auf die Fortbewegung im Wasser finden sich in vorägyptischen Felsmalereien aus der Zeit um 4000 v. Chr. Und antike Schwimmflügelchen gab es auch schon: Ein Steinfries um 869 v. Chr. im heutigen Irak zeigt Krieger, die sich mit aufgeblasenen Tierblasen über Wasser halten.

Die Griechen legten besonderen Wert auf körperliche Ertüchtigung im Wasser. In den Gymnasien gab es damals schon Schwimmteiche. Und der aus der damaligen Zeit stammende Satz: „Er kann weder schwimmen noch lesen“, beweist, dass Sport und Bildung damals als gleichrangig betrachtet wurden.

Wer also nicht mehr zu den Analphabeten des Wassers gehören möchte, kann sich bei allen öffentlichen Schwimmbädern nach Kursen für Erwachsene erkundigen. Oder beim Deutschen Schwimmverband unter der Telefonnummer (05 61) 94 08 30 sowie unter www.dsv.de. JH