Rock und Pop im Niemandsland

Im münsterländischen Gronau, der Geburtsstadt Udo Lindenbergs, hat das Rock‘n‘Popmuseum eröffnet. Schulden hat das Haus schon jetzt. Und ob die Menschen an die holländische Grenze pilgern, ist fraglich. Warum sollten sie auch?

Irgendwo im Nirgendwo schläft Gronau, eine graue münsterländische Provinzstadt an der holländischen Grenze. Früher wurde von hier aus die Welt mit Stoff beliefert, mit fein gesponnenen Textilien und später mit Udo Lindenberg, dem großen (vielleicht einzigen) Sohn der Stadt.

Am Dienstag durfte der so genannte Panikrocker endlich sein eigenes Straßenschild in Gronau enthüllen. „Udo-Lindenberg-Platz“ steht da nun, ganz schlicht, und dahinter thront, schon protziger: das Rock‘n‘Popmuseum. Jawohl, an der Kruste Westfalens, an der vorletzten Ecke ehe es nach Enschede geht, da steht ein Museum für Populärkultur. Und wenn man es nicht besser wüsste, man würde sagen: Ja, doch, genau: Hier gehört das hin und sonst nirgends. Rock und Pop und Gronau. Selbstverständlich.

Die Betreiber des Museums kennen die Frage: Warum es ein Popmuseum gerade hierhin verschlägt, nach Gronau, und nicht nach Köln, nach Hamburg oder Berlin, wo es doch so toll sein soll?! Dass das Museum dort wohl besser aufgehoben wäre, weiß auch Andreas Bomheuer, der Geschäftsführer im Hause Pop. Mit 40.000 bis 60.000 Besuchern rechnet er im ersten Jahr – „1.500 hatten wir schon am Eröffnungstag“, grinst er und holt erleichtert Luft. Im nächsten Satz spricht er von einem ganzen Haufen Schulden, den letztlich Lindenberg verbrochen hat. Er war es nämlich, der irgendwann die Idee für ein Popmuseum in Gronau über eine bierbeschmierte Theke warf. Und prompt stießen alle zustimmend mit ihm an: Kult-Minister Vesper, der Bürgermeister der Stadt, einfach alle, die ausreichend Macht und Moneten haben, ein derart suspektes Projekt zu subventionieren. Fünf Millionen Euro spendierte allein das Land Nordrhein-Westfalen. Bekommen hat es dafür: einen dreistöckigen Anbau an eine alte, verklinkerte Fabrik. Dazu viel Glas, viel Beton, viel Technik – und wenig Inhalt. Das meiste nämlich, was in den Vitrinen des Museums ruht, sind die üblichen, zu sonderbarem Kult ernannten Devotionalien: ein bunter Fetzen, den Jimi Hendrix als Hemd benutzte, ein silberner Pott, der John Lennon als Haschisch-Dose diente, oder eben eine angebliche Locke von Elvis, die Graceland-Pilger zum ehrfürchtigen Sabbern verleiten soll.

Ein bisschen Hardrock-Café-Atmosphäre ist offenbar nicht zu vermeiden, wenn man es mit diesem sich ewig erneuernden Phänomen Pop aufnimmt. Die akribische Archivierung der Geschichte, die ein Museum auch leisten muss, ist in Gronau bloß schemenhaft erkennbar. Nicht nur, dass die Datenbanken bislang ausschließlich die vermeintlich wichtigsten Künstler beheimatet. Auch die technische Umsetzung steckt noch in den so genannten Kinderschuhen. Im Keller des Gebäudes werden große Multimedia-Geschütze aufgefahren: Die BesucherInnen werden zugedrogt mit Bass-Gewummer, mittels vibrierender Böden und dem breiigen Sound vergangener Dekaden.

Dagegen ist das interessanteste Exponat des Museum bislang nicht einmal aufgebaut: Das alte Studio der Band Can soll erst in den kommenden Wochen wieder errichtet werden – allerdings nicht im Museum. Momentan sucht Bomheuer noch nach geeigneten Räumlichkeiten, das Studio nicht nur auszustellen, sondern auch wieder nutzbar zu machen für die nachrückende Popgeneration. Die wollen Boss Bomheuer und sein Kurator Thomas Mania künftig mit Wechselausstellungen und Konzerten anlocken. Morgen spielt beispielsweise Doro Pesch, die Anführerin der deutschen Rockröhren-Fraktion. Und ansonsten gibt‘s halt viel Udo: Lindenberg als Lederjacke, Lindenberg als Maler, Lindenberg, wohin das Auge sieht. BORIS R. ROSENKRANZ

Infos: www.rock-popmuseum.de