„Früher ist hier mehr losgewesen“

Einst waren die Afro-Shops in Hamburg nicht nur Fundorte besonderer Lebensmittel, Kosmetika oder Klamotten, sondern auch Kommunikations- und Treffpunkte für die schwarze Gemeinde. Seit sich die Polizeikontrollen häufen, bleiben die Kunden aus

„Wenn vier oder fünf Kunden da sind, kommt die Polizei – die denken doch, schwarze Leute machen nur Ärger“

von Kathleen Fietz
und Marc-André Rüssau

Wie unförmige Kokosnüsse sehen die afrikanischen Yamswurzeln aus, die sich in der Mitte des Ladens türmen. Neben Kilopacks von grünen Kaffeebohnen liegen weiße, runde Auberginen und gelb-grüne Kochbananen. Dosen und Flaschen mit Haarglättungsmitteln, Kakaobutter und Kokosöl füllen das große Kosmetikregal. „Hauptsächlich Afrikaner, aber auch Deutsche kaufen hier ein“, sagt die Besitzerin des Afro-Shops am Rande Hamburgs. Sie möchte nicht, dass ihr Name erwähnt wird, sie habe schon zu viel Ärger mit den deutschen Behörden.

Der Vorhang zu dem kleinen Hinterzimmer ist nur halb zugezogen. Die blonde Frau auf dem Stuhl sitzt dort wahrscheinlich schon einige Stunden, die Hälfte ihres Kopfes schmücken bereits festgeflochtene Rastazöpfe. Früher gab es in dem Afro-Shop einen eigenen Friseurladen für Haarverlängerungen, Rastazöpfe und Dreadlocks. Die Handwerkskammer hat das vor einigen Jahren verboten, da die Inhaberin keinen Meisterbrief hat. „Ich sehe nicht ein, dass ich hier zur Schule gehen soll, um zu lernen, wie man Deutschen die Haare schneidet. Meine Kundschaft will doch afrikanische Frisuren“, schimpft die junge Nigerianerin. Jetzt werden nur noch Freunde im Hinterzimmer frisiert.

Durch den Laden tollt ein kleines Mädchen mit perlenbesetzten Dreadlocks. Ansonsten ist das Geschäft leer. „Früher ist hier viel mehr losgewesen“, erzählt die Ladenbesitzerin, „Kunden haben ihre Freunde mitgebracht oder sich hier verabredet.“ Aber dann häuften sich die Polizeikontrollen. „Sobald sich mehrere Afrikaner hier treffen, kommt die Polizei, kontrolliert Ausweise und durchsucht die Afrikaner nach Drogen. Ich hatte damit soviel Probleme, dass ich nicht mehr will, dass mein Geschäft zum Treffpunkt wird.“ Viele Kunden seien schon weggeblieben, im vergangenen Jahr musste sie ihre einzige Angestellte wegen des schlechten Umsatzes entlassen.

Ihre Funktion als Kommunikations- und Treffpunkt für die 17.573 in Hamburg gemeldeten Afrikaner haben die Afro-Shops verloren. Denn auch in anderen Stadtteilen beklagen die Besitzer ausbleibende Kundschaft aufgrund steigender Polizeipräsenz. „Viele Afrikaner haben deshalb Angst, in diese Straße zu kommen“, sagt der Betreiber eines Geschäfts in der Harburger Moorstraße. Dort gibt es mehrere Läden, die von Afrikanern geführt werden. Und deswegen, so vermuten die Ladenbesitzer, patrouilliere eine Polizeistreife besonders häufig durch die Moorstraße.

Auch die Kunden eines afrikanischen Ladens für HipHop-Klamotten werden häufig nach ihren Ausweisen gefragt. Weil hauptsächlich Jugendliche hier kaufen? Der Besitzer schüttelt den Kopf. „Es ist egal, wie alt du bist, schwarz ist schwarz.“ Ein Tunesier, der ein Geschäft für Gemüse und Fleisch führt, zeigt auf ein Plakat an der Wand neben seinem Laden. Auf Englisch und Französisch wird dazu aufgerufen, rassistische Kontrollen nicht einfach so hinzunehmen.

Ein Statement der Polizeipressestelle war bis Redaktionsschluss nicht zu erhalten. Zwei Streifenpolizisten aus der Gegend erklären, warum sie Schwarze kontrollieren: „Der Drogenkonsum im Viertel wird immer schlimmer. Ständig sehen wir Konsumenten, die sich mit Schwarzafrikanern treffen. Dann müssen wir eingreifen“, sagt der eine. Von gezielten Kontrollen in Afro-Shops wollen aber beide nichts wissen.

Manche bleiben davon auch verschont. Klaus-Peter Berndt, Besitzer des „Rasta Village“ in Altona, ist Deutscher und durch seine Reisen nach Sierra Leone zum „Afrika-Junkie“ geworden. „Anfangs war dreimal Polizei in Zivil hier und wollte wissen, ob ich Marihuana verkaufe“, erzählt Berndt, „aber das hat sich schnell gelegt.“ Seine Produktpalette ist auch eher auf Deutsche ausgerichtet. Jugendliche, „die auf Reggae stehen“, erzählt der 50-Jährige. Und das afrikanische Geschirr oder die Basttaschen, die in sozialen Projekten hergestellt werden, „kaufen eher Sozialpädagoginnen aus dem Viertel“.

„Die deutsche Politik verhindert, dass eine fremde Kultur hier sesshaft werden kann“, klagt Olajide Akinyosoye vom Verein „Afrikanische Union in Hamburg“: „Im Hintergrund steht immer die Frage: Wann geht ihr wieder zurück?“ Die meisten Afrikaner hätten sich bereits aus Angst ins Private zurückgezogen, der einzige Treffpunkt sei für viele der sonntägliche Gottesdienst in einer der rund 50 afrikanischen Kirchengemeinden in Hamburg. Akinyosoye versucht seit Jahren, Afrikaner für den Umzug auf der Altonale zu gewinnen, um „unsere Präsenz in Hamburg“ zu zeigen, „aber die meisten haben Angst“.

Oder resigniert, wie Michael, der seinen Afro-Shop in Altona im kommenden Monat schließen will. Die Kunden waren immer weniger geworden. Jetzt sitzt Michael zwischen halbleeren Regalen und macht seinem Ärger Luft: „Wenn vier oder fünf Kunden da sind, kommt die Polizei – die denken doch, schwarze Leute machen nur Ärger.“ Wenn Polizeistreifen an seinem Laden vorbeikämen, führen sie immer langsamer und schauten aufmerksam in sein Fenster. „Keiner geht in einen Laden, in dem er automatisch als potenzieller Krimineller gilt“, regt sich Michael auf. Schwarze blieben hier eben immer Ausländer: „Was bringt dir hier ein Pass, in dem steht, du bist Deutscher, wenn du so aussiehst“, schimpft er und kneift sich in die dunkle Haut seines Unterarms.