Urdrüs wahre Kolumne
: Mitten unter den Menschen

Wie sehr unter diesem Sommer selbst der schöne Schein käuflicher Gefühle leidet, belegen die Versteigerungen des Internet-Auktionshauses www.lovebuy.de. Die virtuellen Kuppelbrüder aus Wildeshausen geben dort vorzugsweise Fitnesstrainerinnen, Polizisten, Cabriofahrern und sonstigen Test-the-West-aber-light-bitte-sehr-KonsumentInnen Gelegenheit, Candlelight Dinners, Spaziergänge im Regen und ähnlich neoromantischen Schnickschnack mit ihnen zu versteigern, um den Meistbietenden dann vom Erlös einen auszugeben, aber irgendwie ist der Wurm drin: Viele bieten sich an, aber keiner bietet mit und so könnte dieser erneute Beleg für Warenstruktur und zerstörte Zwischenmenschlichkeit im Kapitalismus genauso unschön in die Hose gehen wie die anderen Ich-AGs auch. Vielleicht sollten sich die starken Frauen der CDU zum gemeinsamen Schwachsein auch mal dort offerieren und den Erlös dann bitte an das Müttergenesungswerk.

Nicht unwidersprochen bleiben darf die von der taz bremen vorgenommene Degradierung von „Klaus & Klaus“ zum Blödelduo. Erstens haben die beiden mit der „Nordseeküste“ inclusive ihrer Werderversion mindestens so viel Gutes getan wie Otto Rehakles den Griechen in Bezug auf Identitätsstiftung, und zwotens gelang es diesen Performancekünstlern als ersten überhaupt, den Dadaismus hitparadenkompatibel zu machen: „Es steht ein Pferd auf dem Flur/ ein echtes Pferd auffem Flur – das ist so nieeeeedlich“ – wo immer dieses Lied irgendwo auf dieser verwirrenden Welt zu hören ist oder gar von nichtolympischen Choristen gesungen wird, da singen Kurt Schwitters und der große Morgenstern mitten unter den Menschen!

Drei junge Burschen, denen die Zugehörigkeit zur Bundeswehr ins Flascheleer-Gesicht gemeißelt ist, fragen auf dem Bahnhof Verden eine ältere Dame mit der Anrede „Hey. Omma!“ nach dem Weg zum Freizeitpark und werden von ihr belehrt: „Da seid ihr doch schon zu groß für, Jungs. Und dass ihr selber mal Kinder kriegt, das schlagt euch aus dem Kopf. So dumm sind die Frauen heute nicht mehr!“

Vor einem Gartenvereinslokal in der Waller Feldmark hocken zwei ausgesprochen trübselige Parzellisten mit freiem Oberkörper und in Cordshorts unter einem Regenschirm, der ausweislich der darauf angebrachten Eiswerbung offenbar als Sonnenschirm gedacht ist. Da der Wirt bei diesem Wetter die Kneipe gar nicht erst aufgemacht hat, machen die beiden eine Pulle nach der anderen von der mitgebrachten Kiste Hemelinger Spezial nieder – eine rar gewordene Marke, an der man immer noch den Kenner erkennt. Ich bitte um ein Fläschlein und erhalte es mit den netten Worten: „Da haste. Aber denk jetzt nich, dassde dafür SPD wählen musst!“ Schlagartig waren damit alle Fragen unter uns beseitigt und wir wurden beim nächsten Kasten noch Freunde gut genug zur Gründung einer richtig extremistischen Linkspartei oder zumindest zum Pläneschmieden für einen kleineren Banküberfall.

Dieses Land zu verlassen bereit, um zumindest für die nächsten drei Wochen das Leben eines früh pensionierten Räuberhauptmanns in den Wäldern Böhmens zu führen, ist jetzt wieder mal mit Gruß an alle Verbleibenden

Ulrich „Janoschek“ Reineking