damien mcguinness über kosmopolitische allüren
: Billig essen mit Dieter Bohlen

„Ist was passiert?“, fragt mein Besuch. „Ich meine, wo sind denn die Leute?“ Ich gucke mich um. Eigentlich ist die Umgebung recht belebt. Aber wer schon ein paar Jahre in Berlin wohnt, gewöhnt sich eben irgendwann an ziemlich ausgestorbene Straßen. Wer aus einer Stadt kommt, wo die Schlange vor der Tür erst die Visitenkarte eines angesagten Clubs ist und ein Tisch in einem guten Restaurant eine Woche im Voraus reserviert werden muss, den irritiert es, dass jede Bar, die er in Berlin betritt, halb leer wirkt – als sei man nie dort, wo gerade die Musik spielt. Ähnlich deplatziert wirkte die Frage einiger Briten, die ich am Hackeschen Markt belauschte: wo denn die „hübsche Altstadt“ sei. Eine Frage, die für leichte Verwunderung sorgte: Hatten sie vergessen, dass sie sie selber zerbombten?

Berlins Reize liegen nicht auf der Hand, und trotz Easyjet bleibt die Stadt für Londoner immer noch ein exotisches Reiseziel. Gut für Kreativler, in deren Augen bröckelnde Fassaden den perfekten Hintergrund für ihr Leben abgeben und die mürrische Kellnerinnen irgendwie cool finden. Wenn man erst den Schock überwunden hat, dass hier niemand „Danke“ oder „Bitte“ sagt (in England eine Todsünde) und dass einem immer wieder die Supermarkttür ins Gesicht geschlagen wird, kann die Stadt richtig nett sein: Studenten wohnen hier besser als Londoner Investmentbanker, Essen gehen kann man schon zum Wert eines schlechten Pints Bier, und statt 20 Pfund in ein Taxi zu investieren, fährt man nach einer durchgemachten Nacht einfach mit dem Rad nach Hause. Nur wenn Berlin „Weltstadt“ spielen will, geht alles unwiderruflich schief. Während es in London passieren kann, dass Kylie Minogue oder Madonna am Nebentisch sitzt, hat man hier schon Glück, wenn’s Dieter Bohlen ist. Halten wir ein für alle Mal fest: Berlin ist weder kosmopolitisch noch der Mittelpunkt der Welt und von internationalem Flair meilenweit entfernt. Hoffentlich bleibt das so.

Damien McGuinness kam vor 4 Jahren aus London nach Berlin. Er arbeitet für die BBC und sagt immer noch „Danke“