Berlin schafft’s aufs Treppchen

Es geht um nichts weniger als den Rang der beliebtesten Stadt: In der ersten Jahreshälfte strömten Touristen in Scharen her – trotz miesen Wetters. Doch noch ist Berlin weniger gefragt als London und Paris. Warum, erklären zwei, die es wissen müssen

VON RICHARD ROTHER

Das Beste zuerst: Das schlechte Wetter ist gut für Berlin, zumindest wirkt es sich nicht so dramatisch auf die Zahl der Besucher aus wie etwa an der Ostsee. „Berlin ist vom Wetter abgekoppelt“, sagen Branchenexperten. Einkaufen und Museen besuchen könne man auch bei schlechtem Wetter. Und: Wer in einem Urlaub Städte- und ländliche Ziele kombiniert, bleibt bei diesem Wetter sicher manchen Tag länger in der Großstadt.

Also, auf in den Wettbewerb mit Europas Metropolen um den Rang der beliebtesten Stadt – mit guten Chancen: Nach den Einbrüchen im Tourismusgeschäft, die die Anschläge vom 11. September weltweit verursachten, geht es mit dem Berlintourismus, trotz Absage der Love Parade, wieder aufwärts. Und wie! In den ersten fünf Monaten boomte der Berlintourismus: Mehr als zwei Millionen Gäste kamen nach Angaben des Statistischen Landesamts an die Spree und buchten fast 5 Millionen Übernachtungen im Berliner Hotelgewerbe – Steigerungsraten von 17 beziehungsweise 15 Prozent. Noch icht mitgezählt sind dabei Tagesbesucher und Gäste, die privat unterkommen.

Ursprünglich hatte die Branche, an der rund 70.000 Arbeitsplätze hängen, mit Wachstumsraten von ca. 5 Prozent gerechnet. Mittlerweile sei Berlin nach London und Paris das Touristenziel Nummer drei, betont der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stolz. Noch vor Rom, Amsterdam und Barcelona.

Ursachen für das gute Abschneiden: die Ausstellung des Museums of Modern Art (MoMA) in der Neuen Nationalgalerie und das größere Angebot von Billigfliegern, die Berlin ansteuern. „Unsere MoMA-Pauschale ist das meistverkaufte Berlinpaket, das wir jemals aufgelegt haben“, sagt der Chef der Berlin Tourismus Marketing-Gesellschaft, Hanns Peter Nerger. Ab 72 Euro bekommt man zwei Übernachtungen mit Frühstück, eine Karte für den Nahverkehr und das Ticket für die Ausstellung.

Zwar kommen die meisten Berlinbesucher aus dem Inland – aber auch die Zahl ausländischer Gäste wächst dynamisch an: 567.000 Ausländer besuchten in den ersten Monaten des Jahres Berlin, 28 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die meisten Gäste kommen aus Großbritannien, den USA, den Niederlanden und Italien. Aber auch in Ländern wie Japan und Israel wird Berlin als Reiseziel immer beliebter. Israel ist bereits der fünftwichtigste Herkunftsmarkt aus Übersee für Berlin. Über 16.000 israelische Hotelgäste wurden im Jahr 2003 gezählt: Tendenz steigend.

Ein Problem hat die Berliner Tourismusbranche aber nach wie vor: das Fehlen von Direktverbindungen in die USA und das relativ niedrige Preisniveau. Das freut zwar die zahlreichen Besucher, hält aber die Gewinnmargen niedrig. Im kommenden Jahr wollen die Tourismuswerber deshalb vor allem Kongress- und Geschäftsreisende ansprechen. Das touristische Highlight 2006 steht jetzt schon fest: die Fußball-Weltmeisterschaft. Egal ob es ein verregneter oder ein heißer Sommer wird.