Vorwärts und schnell vergessen

Schill-Fraktion tat gestern schon so, als habe es nie einen Ronald Schill gegeben. Bei Neuwahl droht schließlich das Ende des schönen Abgeordnetenlebens

Der Gründer, Namensgeber und Vormann der Partei wird fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Die Fraktion der Schill-Partei hat sich nicht lang aufgehalten: Sie brauchte nur zwei Stunden und eine Sitzung, um das Denkmal Ronald Schill endgültig vom Sockel zu stürzen. Die Absetzbewegungen nach dem Auftritt ihres ehemaligen Idols waren heftig und prompt: Die Fraktion will in der Koalition weitermachen, mit Schill als Abgeordnetem oder ohne ihn. Das hat man gestern Mittag einstimmig beschlossen. Gestern Abend trafen sich die Abgeordneten noch zur Fraktionssitzung.

Die Politiker bangen um ihre Gehälter, um ihre Parlamentssitze, um ihre Privilegien. Wenn es Neuwahlen gäbe, wäre nach diesem Schill-Auftritt wohl gar die Fünf-Prozent-Hürde ein echtes Hindernis für die Schillianer. Das wissen die Parlamentarier genau, und deswegen war die Entscheidung weiterzumachen auch nicht so überraschend.

Ob eine Koalition mit der Schill-Partei ohne Schill auf Dauer funktionieren kann, ist zweifelhaft. Zumindest wäre es von Seiten der Schill-Partei eine Koalition ohne jede öffentliche Strahlkraft, nicht in der Lage, die Medien auf sich als eigenständiger Koalitionspartner aufmerksam zu machen, eine Koalition, die mehr denn je von der CDU beherrscht würde – einer Partei, die bei der Bürgerschaftswahl gerade mal sieben Prozent mehr bekam als die Schill-Partei.

Schill war derjenige, der diese Partei noch einigermaßen interessant gehalten hat. Das zeigt sich bereits bei der gestern zögernd begonnenen Debatte um den neuen Innensenator. Kommissarisch hat Bausenator Mario Mettbach gestern das Amt mit übernommen, doch steht er auf Dauer dafür nicht zur Verfügung. Natürlicher Kandidat wäre der Abgeordnete und Büroleiter Schills, Dirk Nockemann – der in der Vorwoche auch schon als Nachfolger für den gestern ebenfalls geschassten Innenstaatsrat Wellinghausen gehandelt wurde. Nockemann ist ein farbloser Technokrat – damit allerdings ein besserer Repräsentant seiner Partei, als es Schill je war. Dieser übrigens brachte gestern Fraktionschef Norbert Frühauf ins Gespräch. PETER AHRENS