Künstlers Kochkünste

Das Projekt „Hinterzimmer – der authentische Gast“ präsentiert Künstler zum Anfassen. Derzeit zu Besuch: Liam Everett

Ein leeres, gnadenlos weißes Blatt Papier ist hart. Noch härter ist eine leere Leinwand. Am härtesten aber muss für einen Künstler ein frisch renoviertes, keimfreies Atelier sein: Ein Raum mit lauter weißen Wänden und unendlich vielen Möglichkeiten, etwas daraus zu machen.

Der New Yorker Künstler Liam Everett, 29, hat kürzlich so ein Atelier betreten. Dazu ist er nach Bremen geflogen, hat das Künstlerhaus am Deich aufgesucht, und mit dem ersten Schritt in sein Atelier ein neues Künstlerhaus-Projekt begonnen: „Hinterzimmer – der authentische Gast“ ist eine Veranstaltungsreihe, die auf den ersten Blick wie ein herkömmliches Austauschprogramm aussieht. Aber im Künstlerhaus hat man sich viel mehr dabei gedacht: Eine Phalanx von Zusatz-Gedanken flankieren Everetts Besuch und sollen den Austausch zum hippen „Veranstaltungsformat“ machen.

„Jeder soll Liam Everett als Künstler und als Person wahrnehmen können“ sagt Projektkoordinatorin Sabine Kochanke, und das heißt: Everett wird nicht nur für einen knappen Monat in Bremen leben und arbeiten, er soll dies auch möglichst öffentlich tun. Da wäre zum einen die Einrichtung „Open Studio“: Von Sonntag bis Dienstag kann man Everett zwischen 16 und 18 Uhr in seinem Atelier besuchen, bei der Arbeit zuschauen, zusammen ein Tässchen Kaffee trinken. Außerdem sind gemeinsame, dezidiert öffentliche Aktionen geplant: Kochen im Künstlerhaus etwa oder eine Bootstour inklusive spontaner Aquarellmalerei. „Wir versuchen einen Freiraum zu schaffen, in dem der Künstler etwas machen kann. Dabei begleitet man ihn, es passiert etwas, man spricht miteinander“, so Initiatorin Astrid Nippoldt. Und: „Die Grenze zwischen Produktion und Rezeption soll aufgebrochen werden.“

„Pilgerfahrten an komische Orte“ stellt sich Nippoldt vor, und das mit Nutzen für alle Beteiligten: Everetts frischer Blick solle seinen Begleitern ermöglichen, die „Stadt neu erlebbar zu machen“. Der Künstler selbst könne sich dafür „in fremden Situationen neu hinterfragen“, sagt Reinhard Fichtner, Mit-Initiator des Projekts. Darüberhinaus gehe es darum, durch das gesellige Beisammensein „die Hemmschwelle herunter zu setzen, mit dem Künstler in Kontakt zu treten.“ Und, letzter Bonuspunkt des Konzepts: „Bremen wird mit Kunstproduktion belebt. Sonst sind in der Stadt immer Abwanderungstendenzen junger Künstler zu beobachten. Dagegen wendet sich das Projekt.“

Liam Everett nimmt das Veranstaltungsformat äußerst gelassen. „Ich bin mein ganzes Leben unterwegs und suche nach inspirierenden Situationen. Und ich mag es, Leute kennenzulernen und exponiert zu arbeiten.“ Das Spontane liegt Everett, viel seiner Arbeit sei einfach Reaktion auf das, was er vorfinde. Außerdem gehe es ihm mehr um den Prozess und nicht um ein Konzept. Was er bisher gemacht hat, lässt sich in einem Katalog einer Ausstellung in Seattle sehen: Zwei Wasserfarben-Zeichnungen gibt es da, die eine zeigt ein fliegenden Flugzeug, auf dessen Flügel King Kong steht, die andere ein Reh, aus dessen Ohr ein Rennwagen wächst. Außerdem sind Fotos, Installationen und Skulpturen dokumentiert. Mitgebracht ins Künstlerhaus aber hat Everett lediglich Porträtfotos und Zeitschriften, beides nur zur Inspiriation: „Ich wollte hierher ohne fertige Arbeiten kommen. Es soll hier etwas frisches passieren.“ Klaus Irler

heute um 20 Uhr präsentiert Liam Everett seine Arbeiten im Künstlerhaus. Er bleibt noch bis zum 29.8. in Bremen