hamburger abgründe
: Was Wowereit uns erspart hat

Am 10. Juni 2001 bekannte sich Klaus Wowereit, damals nur Kandidat, öffentlich zu seiner Homosexualität. Das ist zwei Jahre her und viel – sehr viel – ist seitdem über das erste Coming-out eines deutschen Spitzenpolitikers geschrieben worden. Aber die wirkliche Bedeutung dieses Schrittes kann man erst heute ermessen: Der Fall Ole von Beust zeigt, was Wowereit sich mit seinem Coming-out erspart hat – und uns allen.

Kommentar von ROBIN ALEXANDER

Sicher, Berlin ist nicht Hamburg, das Klima hier ist liberaler, die politischen Verhältnisse sind intakter. Hier bekleidet keine autoritäre Knallcharge wie Roland Schill ein Senatsamt. Aber machen wir uns nichts vor: Warum sollte, was wir bis gestern auch in der Hansestadt nicht für möglich hielten, nicht doch auch in Berlin geschehen?

Die sexuelle Neigung eines Politikers kann augenscheinlich auch im Jahr 2003 noch für Schmutzanrühren und sogar Erpressungsversuche genutzt werden. Vor Abgründen à la Hamburg schützt den Regierenden Bürgermeister letztlich nur sein mutiges Coming-out: Auch von Beust war nicht erpressbar. Aber Wowereit hat schon die Idee, er könne erpressbar sein, undenkbar gemacht.

Was wurde nicht alles gegen Wowereits Spruch „Ich bin schwul und das ist auch gut so“ ins Feld geführt. Er mache Homosexualität erst zum Problem. Er vermische das Private mit dem Öffentlichen. Gar: Er dränge dem Beobachter ungewolltes Wissen über Intimitäten auf. All diese Vorwürfe kann man jetzt von Beust machen: Der hat sich nie öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. Und sie am Ende genau dadurch zu einem politischen Ereignis gemacht.