Blaue Flecken für angeblichen Schwarzfahrer

Kontrolleure nehmen freien Journalisten auf U-Bahnhof in die Mangel. Der erleidet schwere Hämatome. Ticket-Prüfer vom Dienst suspendiert. Tourismus-Gesellschaft: Zehnmal mehr Beschwerden von Touristen über Kontrolleure

Nach einer Auseinandersetzung mit einem Fahrgast sind laut BVG mehrere Fahrscheinkontrolleure vom Dienst supendiert worden. Sie sind Angestellte der privaten „Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz “ (GSE), die im Auftrag der BVG sämtliche Fahrgastkontrollen durchführt. Gegen die Männer liegt eine Anzeige wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung vor. Auch der verletzte Fahrgast wurde im Gegenzug angezeigt – wegen Körperverletzung.

Nach seiner Darstellung hatte der freie Fernsehjournalist Anatoli Wiecki in der Nacht zu Samstag im U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz beobachtet, wie zwei vermeintliche Schwarzfahrer überprüft wurden: „Das war eine verbal sehr aggressive Situation. Die Kontrolleure kamen den Fahrgästen bedenklich nah. Da habe ich als Journalist meine Kamera ausgepackt und gefilmt.“ Daraufhin hätten die Kontrolleure die Linse zugehalten und ihn aufgefordert, die Kamera abzuschalten. Dieser Aufforderung sei er sofort nachgekommen. Dennoch habe ihm ein Kontrolleur erklärt, er sei nun festgenommen. Er selbst sei im Besitz einer gültigen Monatskarte gewesen, die er habe vorzeigen können. „Ich habe laut und deutlich gesagt, dass ich Journalist bin und mich auf die Pressefreiheit berufe“, sagt Wiecki. Vier Männer des Sicherheitsdienstes hätten ihm die Kamera entrissen und ihn dann äußerst brutal in den Kontrollraum auf dem Bahnsteig gezerrt. Dabei habe er schwere Prellungen an Armen, Beinen und am Brustkorb erlitten. Sein Körper ist auch Tage nach dem Vorfall von blauen Hämatomen übersäht.

Per Handy rief Wiecki die Polizei hinzu. Der gegenüber hätten die GSE-Mitarbeiter dann zunächst behauptet, er sei schwarz gefahren. „Dann haben sie gesagt, sie hätten nicht gewusst, dass ich von der Presse bin“, so Wiecki. „Als letzte Schutzbehauptung sagten die Kontrolleure, ich hätte sie angegriffen. So kam es dann zur Anzeige wegen Körperverletzung gegen mich.“

Die Polizei bestätigte gestern das Vorliegen der beiden Anzeigen. „Bei der Aufnahme der Personalien konnten sich vier Wachdienstler nicht ausweisen und wurden zur erkennungsdienstlichen Behandlung mit auf die Wache genommen“, fügte eine Polizeisprecherin hinzu.

Die BVG will sich zu dem Vorfall nicht äußern, da es sich um schwebendes Verfahren handle. „Wir prüfen aber, Anzeige gegen Wiecki wegen Hausfriedensbruchs zu stellen“, erklärte BVG-Sprecherin Barbara Mannsfield. Wiecki habe ohne Genehmigung gefilmt, der Bahnsteig sei kein öffentlicher Raum. Mannsfield versicherte zudem, man arbeite intern an Lösungskonzepten, um Überreaktionen und Falschentscheidungen durch Kontrolleure künftig zu vermeiden. Alle Fälle würden sehr ernst genommen.

Das scheint dringend angebracht. „Ausländische Touristen klagen verstärkt über das unsenbile Vorgehen der Kontrolleure bei BVG und S-Bahn“, sagt Natascha Kompatzki, Sprecherin der Berlin Tourismus Marketing Gesellschaft (BTM). „In den letzten drei Woche erreichten uns zehnmal mehr Beschwerden als üblich.“ So habe ein Frau aus Singapur 40 Euro zahlen müssen, obwohl sie eine „Welcome-Card“ hatte, die sie aber aus Unwissenheit nicht abgestempelt hatte. Als sie nicht erklärunglos zahlen wollte, sei ihr gar eine Strafe von 300 Euro angedroht worden, berichtet Kompatzki. Auch neun Spanier, die als Gruppe mit der S-Bahn fuhren, hätten alle je 40 Euro zahlen müssen, weil sie nicht wussten, dass die Fahrscheine extra gestempelt werden müssen. Die BTM fordert nun mehr Fingerspitzengefühl und Schulungsmaßnahmen zur besseren Kommunikation.

BVG-Sprecherin Mannsfield bestritt den Zuwachs an Beschwerden. Das sei eine Behauptung der BTM. CHRISTIN GRÜNFELD