Achtung! Überraschung!

Über entwürdigende Szenarien und das Sich-Schämen in fremden Wohnungen

Ganz enorm glücklich sein über das Eindringen fremder Personen in die Privatsphäre

Zu einer Überraschungsparty eingeladen zu werden bedeutet für lebenserfahrene Menschen vor allem eins: sich auf der Stelle ganz dolle zu fürchten. Denn an einer Surprise-Fete teilzunehmen heißt, sich pausenlos schlecht zu fühlen und gleichzeitig auch noch anderen Menschen beim Sichschämen zusehen zu müssen.

Denn es gibt wohl kaum etwas Entwürdigenderes, als viertelstundenlang in verkrampfter Stellung hinter scheußlichem Mobiliar versteckt auf das Eintreffen eines Menschen zu warten, der an seinem großen Tag einfach nur seine Ruhe haben, in gemütliche Klamotten schlüpfen und ganz relaxed vor dem Fernseher sitzend ein Bier trinken will.

Wobei der Jubilar den absolut allermiestesten Part erwischt hat: Obwohl er schon seit Wochen ahnt, was auf ihn zukommt – Überraschungspartygästen gelingt es schließlich nur ganz selten, ihre Ängste zu verbergen, sie verplappern sich grundsätzlich immer, und wenn sie es nicht tun, verrät sie ihr panisch gehetzter Blick –, muss er im entscheidenden Moment ekstatische Freude heucheln, mit Menschen anstoßen, die er eigentlich schon im alltäglichen Leben nicht sehen mag, ganz furchtbar gut gelaunt tun und immer vorgeben, ganz enorm glücklich zu sein über das Eindringen fremder Personen in die eigene Privatsphäre.

Ein Norweger könnte nun für alle Zeiten Schluss gemacht haben mit dem Überraschungsunfug. Der laut Polizeibericht gut situierte Mann aus Skjeberg war am Wochenende 40 geworden, und wie bei solchen runden Gelegenheiten weltweit zwingend vorgeschrieben hatte der Freundeskreis seine Beteuerungen, wirklich keine Party abhalten zu wollen und wirklich sehr gut ohne gemeinschaftliches Besäufnis auszukommen und nein, definitiv kein Problem damit zu haben, den Jubeltag allein zu verbingen, nicht ernst genommen.

Und so machten sich am vergangenen Sonntag cirka 30 Menschen auf, in einer eigens angemieteten Hütte des norwegischen Jäger- und Fischer-Verbandes das unter – wie in solchen Fällen üblich – seltsamen Vorwänden angelockte Geburtstagskind zu empfangen. Sie alle sollten eine blutige Überraschung erleben: Der zu Feiernde hatte nämlich Ort und Zeit des Überfalls vorausgeahnt und erwartete seine Gäste gemütlich in einem Hinterhalt versteckt mit geladenem Jagdgewehr in der Hand. Der erste Schuss ging noch in die Luft, „aber als die Gesellschaft sich erschreckt umdrehte, trat der überraschende Überraschte triumphierend aus dem Wald, beschrieb die die Tageszeitung Dagbladet das Szenario. Bedauerlicherweise sei der Mann dabei jedoch ins Stolpern geraten – eine Frau wurde durch den dabei ausgelösten Schuss ins rechte Knie getroffen, sechs weitere Gäste erlitten leichtere Verletzungen durch umherfliegende Splitter.

Die sofort alarmierte Polizei forderte zunächst Krankenwagen an, um die Verletzten abzutransportieren. Dann machte sie sich daran, den Tathergang und die näheren Umstände zu rekonstruieren. Nach eingehender Auswertung aller Zeugenaussagen und hinterlassener Spuren kamen die Beamten zu einem klaren Ergebnis: Alkohol sei nicht im Spiel gewesen, es handele sich um ein „tragisches Unglück“, dessen Ursache „verhältnismäßig klar sei“, schrieben sie in ihrem Ermittlungsbericht.

Dass sich der Schütze selbst beim Angriff auf die Geburtstagsgesellschaft leicht verletzt hatte, werteten die Ordnungshüter zudem als klares Indiz für einen puren Unglücksfall. Was nicht weiter überraschen sollte: Auch Polizeibeamte waren schließlich schon einmal Gäste oder Hauptpersonen einer Überraschungsparty. ELKE WITTICH