Schily-Schäuble-Schlacht um Afrika

Was bisher nur grüne Menschenrechtler live erleben durften, hat die Republik jetzt schriftlich. Der Innenminister wütet per Fax gegen Wolfgang Schäuble, weil der frühere CDU-Innenminister gegen Otto Schilys Asyllager in Nordafrika ist

VON LUKAS WALLRAFF

Wer viel einsteckt, darf auch austeilen, scheint sich Otto Schily gedacht zu haben. Und so startete der Innenminister gestern einen Rundumschlag gegen alle Gegner seines Vorschlags, Asylbewerberlager in Afrika einzurichten. Zunächst knöpfte er sich in der FAZ „einige meiner grünen Freunde“ vor, die „geübt in rhetorischer Humanität“ seien, die Folgen aber anderen überließen. So weit, so erwartbar. Dass sich Schily mit den Grünen kabbelt, kennt man ja. Doch um 11.26 Uhr flatterte eine Pressemitteilung in die Redaktionen, die es in sich hatte. Diesmal hieß der Gegner: Wolfgang Schäuble.

Der frühere CDU-Chef und Innenminister gilt immer noch als politisches Schwergewicht – weshalb ihn Schily eigentlich respektiert. Nun aber hatte sich ausgerechnet Schäuble, sein konservativer Amtsvorgänger, den rot-grün-gelben Kritikern des Afrikaprojekts angeschlossen und gewarnt: „Internierungslager am Rande der Sahara können keine Lösung sein.“ Anlass für Schily zu einer zweiseitigen Erklärung, die sich wie das Protokoll eines Tobsuchtsanfalls liest. „Der Abgeordnete Schäuble“, so Schily über den CDU-Fraktionsvize und Außenpolitikexperten der Union, „entdeckt eine absichtsvoll diffamierende Variante der Kritik“. „‚Internierungslager‘ klingt offenbar noch nicht gruselig genug, es müssen natürlich – o Graus – ‚Internierungslager am Rande der Sahara‘ sein.“

Die Wortwahl Schäubles stinkt Schily so gewaltig, dass er fortfährt: „Ich frage Herrn Schäuble: Wann und wo habe ich die Einrichtung von ‚Internierungslagern‘ in Erwägung gezogen? Sind Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern neuerdings im Verständnis des Abgeordneten Schäuble ‚Internierungslager‘? […] Oder ganz einfach: Warum sind Asylbewerber-Anlaufstellen in Lampedusa/Italien, die nur unter Lebensgefahr zu erreichen sind, besser als solche in Nordafrika?“ Tja, warum nur? Schäuble hatte die Antwort eigentlich schon gegeben, indem er anzumerken wagte, dass Lager in Diktaturen wie Libyen oder Marokko mit der Genfer Flüchtlingskonvention „nicht unbedingt“ vereinbar seien. Für Schily kein Argument. Er fühlt sich unverstanden. Für ihn wären Auffanglager in Afrika ein Segen, weil sie gefährliche Fahrten übers Mittelmeer vermeiden helfen: „Der Tod vieler Menschen könnte so vermieden werden.“ Er wäre deshalb froh gewesen, schrieb Schily, wenn Schäuble „überhaupt nachgedacht hätte, bevor er sich zu abenteuerlichen Kommentaren aufschwingt“. Der vom Minister gescholtene Exminister war gestern nicht zu erreichen.

Vielleicht hat er ja Schilys Tipp befolgt und bei Bayerns CSU-Innenminister nachgefragt. Er könne Schäuble nur empfehlen, hatte Schily im letzten Satz seiner Pressemitteilung geschrieben, „bei Günther Beckstein sachverständigen Rat zu dem Thema einzuholen“.