JÖRG IMMENDORFF UND DAS KOKAIN: DAS ERREGUNGSPOTENZIAL FEHLT
: Künstlerglück und Künstlerpech

Der Maler Jörg Immendorff ist also in seiner Hotelsuite in Düsseldorf mit neun Prostituierten und elf Gramm Kokain erwischt worden. Bei Durchsuchungen fanden die Beamten vom Drogendezernat dann weitere zehn Gramm. Na und? Nichts na und. Die Funde ergaben insgesamt 6,5 Gramm reines Kokain, und das gilt gesetzlich schon als „nicht geringfügige Menge“. Nun droht Immendorff dafür eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und nur mit sehr viel Künstlerglück nicht der Verlust seines Lehrstuhls an der Kunstakademie.

Man muss nun nicht gleich die Legalisierung von Kokain fordern, um diese Strafe für unangemessen zu halten. Denn warum bitte soll das Koks schwerer wiegen, als wenn Immendorff mit Alkohol am Steuer erwischt worden wäre? Und ist es nicht besser, er vergnügt sich mit Prostituierten, als Abhängigkeitsverhältnisse jüngerer Studentinnen auszunützen, wie das manche seiner Professorenkollegen zu tun pflegen?

Gesetze richten sich nach gesellschaftlichen Normen, und die haben sich längst geändert. Ob der Showmaster Michel Friedman, der Fußballtrainer Christoph Daum oder der Liedermacher Konstantin Wecker – die prominenten Fälle zeigen nur, dass das Kokain längst zur Alltagsdroge abgesunken ist. Was fehlt, ist eine Anpassung der Drogengesetze an eine veränderte öffentliche Moral, eine Entkriminalisierung des Maradona-Pulvers.

Jörg Immendorff hat nun den Maßstab ziemlich hoch gelegt für das, was heute noch in manchen Medien zum öffentlichen Skandal taugt. Wer jetzt mit weniger Prostituierten und Koks erwischt wird, der macht sich ja lächerlich! Dafür werden ihm manche zukünftigen Enthüllungsopfer noch dankbar sein. Da der Umgang mit Prostituierten nicht strafbar ist, dürfte Immendorff nun allenfalls das Kokain zum Verhängnis werden.

Vielleicht war das Spektakel in der Hotelsuite aber auch als Performance gedacht. Dann hätte Immendorff allerdings Künstlerpech gehabt. Denn als Ausweis einer antibürgerlichen Haltung taugen Kokainspuren im Aschenbecher schon lange nicht mehr. DANIEL BAX