Alastair Campbell weiß von nichts

Vor dem Untersuchungsausschuss zum Tod des britischen Wissenschaftlers David Kelly behauptet der Kommunikationschef von Premierminister Tony Blair, nichts mit den Formulierungen im Irakdossier zu tun zu haben. Eine E-Mail sagt etwas anderes

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Von wem die Behauptung stammte, dass der Irak seine Massenvernichtungswaffen innerhalb von 45 Minuten aktivieren könne, wisse er nicht. Er habe jedenfalls nichts damit zu tun. Alastair Campbell, Kommunikationschef des britischen Premierministers Tony Blair, sagte: „Ich wusste, dass die Sache vom Geheimdienstausschuss kam, aber mir war weder klar, auf welcher Information das basierte, noch wer die Quelle war.“

Campbell sagte gestern vor dem Untersuchungsausschuss des Lordrichters Brian Hutton aus, der den Tod von David Kelly untersuchen soll. Der Wissenschaftler im Dienst des Verteidigungsministeriums hatte sich Mitte Juli offenbar umgebracht, nachdem er von der britischen Regierung als Quelle für einen BBC-Bericht bloßgestellt worden war. In der betreffenden Radiosendung wurde behauptet, Campbell hätte dafür gesorgt, das Regierungsdossier vom vergangenen September aufzubauschen und die vom Irak ausgehende Gefahr zu übertreiben.

Campbell ist einer der wichtigsten Zeugen vor dem Hutton-Ausschuss. Er hatte nach der Sendung einen erbitterten Kampf mit der BBC und eine Hexenjagd auf deren Informanten angezettelt. In seinem Tagebuch, das er Hutton vorlegen musste, heißt es: „Es war knallhart. Knallhart für mich und knallhart für Tony Blair, und dann ist da all das Zeug über Vertrauen.“

Von Vertrauen kann inzwischen keine Rede mehr sein. Laut neuester Umfragen trauen nur noch sechs Prozent der Bevölkerung der Regierung in dieser Sache. Campbell beteuerte gestern, er habe zu keiner Zeit irgendwelchen Einfluss auf die Formulierungen in dem Irakdossier ausgeübt. Die Behauptung, der Irak könne innerhalb von 45 Minuten zuschlagen, sei ihm erstmals am 10. September in dem Entwurf für das Dossier untergekommen. Allerdings hatte er am 5. und am 9. September zwei Sitzungen geleitet, an denen sowohl Vertreter der Geheimdienste als auch Blairs außenpolitische Berater teilnahmen. Dabei ging es um eben jenes Dossier.

Blair hatte darauf gedrängt, das Dossier so bald wie möglich zu veröffentlichen, weil sich in der Öffentlichkeit der Eindruck festgesetzt hatte, ein Krieg stehe unmittelbar bevor. „Die Sache lief uns davon, die Leute glaubten, dass wir schon bald zu militärischen Aktionen greifen würden“, sagte Campbell. „Unser Argument, dass Saddams Regime eine ernsthafte Bedrohung darstellte, musste auf Beweisen beruhen, und der Premierminister wollte diese Beweise veröffentlichen.“ Bei den beiden Sitzungen Anfang September sei es lediglich um organisatorische Fragen zur Veröffentlichung des Dossiers gegangen, behauptete Campbell.

Das klang vorgestern anders. Am Montag war der Hutton-Untersuchung eine E-Mail von Campbell an Blairs Sprecher Jonathan Powell vorgelegt worden, in der es hieß, dass das Dossier „substanziell umgeschrieben“ werden müsse. Die Struktur solle sich an der „Diskussion mit TB“ orientieren – ein deutlicher Hinweis darauf, dass Blair sich persönlich um die Erstellung des Dossiers gekümmert hat.

Powell hatte eine Woche vor der Veröffentlichung des Dossiers an John Scarlett vom Geheimdienstausschuss geschrieben: „Das Dokument untermauert keinesfalls eine Bedrohung, und schon gar nicht eine unmittelbare Bedrohung durch Saddam. Wenn wir das Dokument veröffentlichen, müssen wir verdeutlichen, dass wir nicht behaupten, wir hätten Beweise für eine unmittelbare Gefahr.“ Eine Woche später hatte man plötzlich diese Beweise, von denen Campbell nun behauptet, er habe überhaupt keine Ahnung, aus welcher Quelle sie stammten.