Gewerbesteuer als Mittel der Umverteilung

Belastung für Mittelstand, Entlastung für Konzerne, sagt die Gewerkschaft Ver.di. Union lehnt rot-grünen Entwurf ab

BERLIN taz ■ Eine empfindliche Mehrbelastung für Selbstständige durch die neue Gewerbesteuer hat die Gewerkschaft Ver.di ausgemacht. Ins Internet hat sie ein Berechnungsprogramm gestellt, das die zukünftige Steuerzahlung von freien Journalisten, Ärzten, Anwälten und anderen freien Berufen auswirft. Dabei kommt bei mittleren Verdiensten schnell eine zusätzliche Steuer von 100 Euro oder mehr pro Monat heraus. „Das ist Umverteilung“, sagt Gunter Haake, Sekretär für Selbstständige beim Ver.di-Bundesvorstand. Die freien Berufe würden zusätzlich belastet, während „große Unternehmen“ Vergünstigungen erhielten.

Das rot-grüne Bundeskabinett hat am vergangenen Mittwoch ein Gesetz zur Neuordnung der Gewerbesteuer vorgelegt, die vor allem den Städten zugute kommt. Da diese finanziell besser gestellt werden sollen, will Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) ab kommenden Januar alle Freiberufler der Gewerbesteuer unterwerfen. Bisher waren sie davon befreit.

Ein in München lebender freier Journalist mit einem Bruttojahresertrag von 50.000 Euro muss laut Ver.di-Berechnungsprogramm 1.650 Euro pro Jahr mehr zahlen als heute. Macht 137,50 Euro pro Monat. Die Steigerung kommt unter anderem dadurch zustande, dass der bisherige Freibetrag bei der Gewerbesteuer von 24.500 Euro zwar leicht erhöht wurde, aber mit steigendem Einkommen nach und nach geringer wird. Wer 50.000 Euro Ertrag meldet, bekommt keinen Freibetrag mehr.

Umgekehrt, darauf weist Ver.di-Funktionär Haake hin, haben die Unternehmen in Eichels Gesetzentwurf einige Vergünstigungen erhalten. Eine davon: Zinsen für manche Kredite sollen dem Firmengewinn nicht mehr hinzuaddiert werden, wodurch die Belastung der Unternehmen sinkt.

Andererseits haben auch die Konzerne empfindliche Einbußen zu verzeichnen. Sie dürfen zum Beispiel Kreditzinsen zugunsten eigener Gesellschafter nicht mehr vom Gewinn abziehen. Allein das macht eine Mehrbelastung der Wirtschaft von 1,37 Milliarden Euro aus.

Das Argument der Umverteilung lässt sich deshalb nicht eindeutig belegen. Die finanziellen Auswirkungen der einzelnen Paragrafen sind zu unterschiedlich, um eine glasklare Bevorzugung der einen oder anderen Gruppe festzustellen. Fakt aber bleibt: Gerade die großen Firmen haben sich in der Vergangenheit aus der Gewerbesteuer verabschiedet. Deshalb müssen jetzt die Freiberufler ran.

Schwierig ist es für die Gewerkschaft nun, Rückschlüsse aus dieser Beschreibung der Lage zu ziehen. Die traditionelle Forderung lautet, dass auch Freiberufler, worunter meist Ärzte und Anwälte verstanden werden, Steuer zahlen sollen. Der Fachbereich Selbstständige der Gewerkschaft freut sich dagegen über den Zulauf der Freiberufler als moderner Klientel und sucht eine neue Position. In diesen Kreisen ist man von der Ausdehnung der Gewerbesteuer nicht begeistert. Den Kompromiss hat unlängst Ver.di-Chef Frank Bsirske formuliert: Demnach ist die Gewerbesteuer für Freiberufler o.k., aber die Freibeträge für niedrige und mittlere Einkommen müssten höher ausfallen.

Währenddessen verdichten sich bei der Union die Anzeichen, dass man das rot-grüne Gesetz im Bundesrat ablehnen will. Stattdessen plädiert die Opposition für ein „Sofortprogramm“ zur finanziellen Unterstützung der Kommunen. Der Anteil der Städte an der Gewerbesteuerumlage soll erhöht werden. Wie der Bund und die Länder ihre Mindereinnahmen finanzieren sollen, weiß die Union nicht.

HANNES KOCH

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