Ein widerwärtiges Schauspiel

Solch eine Pressekonferenz hat Hamburg noch nicht erlebt: Der Innensenator hält dem Bürgermeister Liebesakte mit dem Justizsenator vor

aus Hamburg PETER AHRENS

Zwei Fehler der Vergangenheit haben sich gestern an ihrem Verursacher, Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, gerächt. Zum einen, dass er um der Macht willen das Wagnis eingegangen ist, mit einem Spieler und politischen Desperado wie Ronald Schill eine Koalition zu schließen. Und zum anderen, dass er seine Homosexualität, die vielen in der Stadt längst bekannt war, nicht öffentlich gemacht hat. Die Quittung hat von Beust jetzt bekommen: Die Koalition mit Ronald Schill ist geplatzt, mit dessen Partei wohl auch. Der Bundesvorsitzende der Schillpartei und Hamburger Bausenator Mario Mettbach hat es gestern mit „einem großen Fragezeichen versehen, ob es eine Koalition ohne Herrn Schill geben kann“.

In Hamburg fand gestern Vormittag eine Pressekonferenz statt, wie sie die Hansestadt noch nicht erlebt hat. Zunächst teilte Ole von Beust, der demonstrativ nicht direkt neben seinem Koalitionspartner Schill Platz nahm, lediglich die Entlassung des seit Wochen im Kreuzfeuer stehenden Staatsrats der Innenbehörde, Walter Wellinghausen, mit. Erst danach verkündete er, dass er auch den Innensenator rauszuwerfen gedenke. Seine Begründung: Schill habe in einem Vieraugengespräch gedroht, öffentlich zu machen, dass von Beust seinen „angeblichen Lebenspartner, den Justizsenator Roger Kusch, zum Senator gemacht habe und damit Privates und Politisches verquickt habe“, wie der Bürgermeister formulierte. Dieser Vorwurf sei nicht nur falsch, er sei „ungeheuerlich“, Kusch und er seien lediglich „gute, persönliche Freunde“. Der Bürgermeister zeigte sich „erschüttert über das charakterliche Fehlverhalten Schills“. Mit dem Satz, „meine Hoffnung ist, dass sich die Partei Rechtsstaatlicher Offensive von Herrn Schill trennt“, stand der Bürgermeister auf und ließ die sprachlosen Journalisten mit sich und Schill allein.

Der Noch-Innensenator holte daraufhin die ganz große Keule raus: Von Beust habe ein „homosexuelles Verhältnis mit Kusch gehabt und hat es nach wie vor“. Er habe Zeugen, die beobachtet hätten, wie es in der Wohnung, die Kusch bewohnt und die von Beust gehört, zu „Dingen gekommen ist, die man als Liebesakte interpretieren kann“. Während die Zuhörer immer fassungsloser wurden, spreizte sich Schill noch, er hätte „dies nie öffentlich gemacht, wenn der Bürgermeister es nicht von sich aus in so verfälschender Weise angesprochen hätte“. Schill verwahrte sich gegen den Vorwurf, er habe von Beust erpressen wollen. Er habe in dem vertraulichen Gespräch lediglich darauf hingewiesen, dass der Bürgermeister offenbar „mit zweierlei Maß misst“. Als Schill noch weitere Details preisgeben wollte, fiel ihm der ZDF-Berichterstatter Knut Terjung ins Wort: „Das ist widerwärtig, was Sie hier tun.“ Parteichef Mettbach riss daraufhin das Mikrofon an sich, stammelte ein paar Worte des Bedauerns und beendete die Pressekonferenz.

Der gestrige Vormittag ist der Endpunkt einer Entwicklung: Immer wieder hatten die Ausfälle des Innensenators die Dreierkoalition aus CDU, FDP und Schillpartei gereizt. Als Schill im Bundestag gegen Ausländer hetzte und man ihm das Mikro sperrte. Als Schill das tödliche Gas, das die Russen im Kampf gegen Tschetschenen einsetzten, auch für Deutschland verlangte. Als er Journalisten, Ärzte und Anwälte vom Verfassungsschutz bespitzeln lassen wollte. Von Beust hat dies alles bewusst geduldet, sein Ansehen wuchs, dasjenige Schills nahm immer mehr ab.

Für Ronald Schill war Politik immer ein großes Spiel. Bewusst ignorierte er politische Spielregeln. Nur so ist zu erklären, dass die Koalition jetzt wegen einer Staatsrats-Affäre auseinander bricht. Im einem normalen Politbetrieb hätten die Beteiligten eine stille Lösung gefunden und den betroffenen Politiker Wellinghausen aufs Abstellgleis geschoben. Mit Schill geht so etwas nicht.

Ole von Beust hat über zwei Jahre mit Schill eng zusammengearbeitet, gemeinsam mit ihm den Umbau der Stadt bei der Inneren Sicherheit vorangetrieben. Der Bürgermeister hat stets betont, wie gut das Klima in der Koalition sei, auch wenn CDU-Parteifreunde schon längst den Kopf schüttelten über den Innensenator und seine Politik.

Gerüchte über eine frühere Beziehung zwischen Kusch und von Beust hat es immer schon gegeben. Das Thema war aber in der Hamburger Rathausszene längst kein Aufreger mehr. Nur durch die Tatsache, dass von Beust offiziell mit seiner Homosexualität hinterm Berg hielt, hatte das Thema noch eine gewisse Brisanz. Jetzt wird sich der Bürgermeister dazu in den nächsten Tagen Fragen gefallen lassen müssen. „Ole von Beust und ich haben eine freundschaftliche Beziehung gehabt“, sagte Schill gestern noch. Diese ist nun beendet.