Eisern bis ins Grab

Ein 1.-FC-Union-Anhänger hat Erdmöbel entwickelt, in denen sich Fans des Köpenicker Clubs standesgemäß beerdigen lassen können. Ein Sarg, weiß mit roten Streifen, kostet 995 Euro. Bleibt die Frage: Wann kommt die Hertha-Urne?

Einmal Unioner, immer Unioner. Fans des Clubs aus Köpenick nennen sich die „Eisernen“ – auch weil sie ihrem Verein unverbrüchliche Treue geschworen haben. Ein selten gewordener Traditionskult im schnelllebigen Fußball-Business, in dem Vertragsbruch ebenso zum Alltag gehört wie das heuchlerische Abknutschen von Vereinswappen durch Spieler im Torrausch. Nicht so bei den Eisernen, für die „lebenslänglich“ nichts mit guter Führung zu tun hat.

Einmal Unioner, immer Unioner, also bis dass der Tod uns scheidet. Doch was passiert, wenn der allmächtige Unparteiische das irdische Spiel abpfeift? Union-Fan Rainer Dallmann hat die bohrenden Zweifel am eigenen Leib verspürt. „Als im Dezember 2001 mein Kumpel Jürgen an Krebs starb“, erzählt der 52-Jährige mit Melancholie in der Stimme, „musste ich erleben, wie er als echter Unioner in einem ziemlich belanglosen Behältnis an mir vorbei zu Grabe getragen wurde.“

Jürgens Tod war die Geburtsstunde von Rainers Geschäftsidee: Dallmann entwickelte eine spezielle Urne sowie einen Sarg für verblichene Eiserne, die der Verlängerung zum ewigen Leben in den rot-weißen Union-Farben gebettet entgegenfiebern wollen. „Dallmann ist an uns herangetreten und hat gefragt, ob er das machen darf“, sagt Lars Töffling, Sprecher der Köpenicker Kicker. Der Verein wollte ihm die Lizenzrechte für die Eisernen-Erdmöbel nicht vorenthalten. „Wir profitieren nicht davon, aber wir unterstützen das“, so Töffling.

Die Clubleitung hat ein sensibles Gespür für die Fans entwickelt, „die bekannt sind für ihre originellen Ideen“, sagt Marketingchef Ralf Büttner. So melden Anhänger ihre Kinder gleich nach der Geburt als Vereinsmitglieder an. Oder vermachen dem notorisch klammen Verein ihre Habseligkeiten. Viele spendeten gar ihren Lebenssaft für den Club in der Aktion „Bluten für Union“. Nicht zuletzt dank des teilweise ins Rührselige spielenden Einfallsreichtums seiner Anhänger genießt der sportlich in die Drittklassigkeit abgestürzte DDR-Pokalsieger von 1968 noch immer relativen Ruhm.

Nun also Dallmann! Der Mann mit der finalen Merchandising-Idee will sich bis zum Jahresende selbstständig machen. Seine Produkte bringt er allerdings schon jetzt über eine Bestattungsfirma in Prenzlauer Berg an den Unioner bzw. die Unionerin. Für eine würdige Bestattung im Eisernen-Look empfiehlt der Brandenburger eine rot-weiße Urne mit der gold glänzenden Aufschrift „Ein Leben lang in eiserner Treue und niemals vergessen“, für 395 Euro. Wer die Feuerbestattung ablehnt und noch mehr Geld für die vereinsnahe Beerdigung ausgeben kann, dem offeriert Dallmann einen schneeweißen Sarg mit 60 Millimeter breiten roten Streifen. „Dieses Modell kostet 995 Euro, was immer noch preiswert ist“, sagt Rainer Dallmann.

Über mangelnde Nachfrage kann sich der Trauerdesigner nach eigener Aussage nicht beklagen: „Es gibt schon Anfragen von älteren Fans“, erzählt er und fügt mit wohligem Gruseln in der Stimme hinzu: „Aber auch von jüngeren Fans!“ So betreibt man Publikumsbindung. Bleibt die Frage, wann Hertha endlich aufwacht. JÜRGEN SCHULZ