Bei Hertha sein macht wieder Spaß

Das Trainingslager hat unter den Hertha-Kickern für gute Laune gesorgt. Neutrainer Falko Götz kommt das bei seiner Mission „Das Team zur Einheit schmieden“ gut zupass. Dafür greift er auch zu pädagogischen Tricks. Das Saisonziel: ein einstelliger Platz

VON DIRK STEINBACH

Fußball ist wie Schule. Es gibt Lehrer, Schüler und Klassenfahrten. Im Fußball heißen sie zwar Trainingslager, doch manchmal ist es das Gleiche. So wie bei Hertha BSC. Wie ein Lehrer war Trainer Falko Götz im österreichischen Ort Walchsee zehn Tage vor allem damit beschäftigt, seine Schützlinge bei Laune zu halten. Was ihm bestens gelang. Sei es mit einer Fahrt auf der Sommerrodelbahn, einem Hüttenabend auf einer Alm oder einem Tretboot-Wettrennen.

Die gute Stimmung der Spieler musste nur ein Journalist sprichwörtlich ausbaden. Als dieser nach Ende der Bootsfahrt am Steg festmachen wollte, pfiff Hertha-Mittelfeldspieler Giuseppe Reina kurz. Andreas „Zecke“ Neuendorf und Alexander Madlung spurteten heran und schubsten den Reporter mit vereinten Kräften ins Wasser. Gute Laune als Programm.

„Wir müssen wieder als Einheit auftreten“, sagt Götz. Daran hatte es in der vergangenen Saison, als der Klub knapp dem Abstieg entgangenen war, oft gemangelt. Nach zehn Tagen in den Bergen scheint das vergessen. Bei Hertha wird wieder gelacht.

Der erste Erfolg für Götz, seit er vor vier Wochen die Arbeit in Berlin offiziell aufgenommen hat. Aber ein wichtiger. Sein Credo: Nur wer miteinander redet, spielt erfolgreich. „Ich möchte, dass die ganze Mannschaft spricht. Dann können wir leichter offensiven und attraktiven Fußball bieten“, sagt der Trainer. Deshalb werde er die Spieler nicht zu sehr in taktische Zwänge pressen. „Sie sollen ihre Kreativität nicht verlieren.“ Was vor allem für die beiden Brasilianer bei Hertha, Marcelinho und Neuverpflichtung Gilberto, gilt. „Ich will aus ihnen keine Deutschen machen“, sagt Götz. „Ich lasse den Spielern gewisse Freiheiten. Wer die nicht missbraucht, bekommt mit mir keine Probleme.“

Das klingt locker und passt zu seinem souveränen Auftreten im Umgang mit Spielern, Fans oder bei der Vergangenheitsbewältigung. Als ihn vor wenigen Tagen Spieler seines ehemaligen Klubs 1860 München recht unfreundlich über eine Zeitung grüßten, zuckte Götz nur gelangweilt mit den Schultern. Die Zeit in München, an deren Ende der unwürdige Rauswurf durch Präsident Karl Auer im Frühjahr stand, war seine zweite Trainerstation. Bei der ersten, 2002, hatte er mit Hertha 9 von 13 Spielen gewonnen und den Klub in den Uefa-Cup geführt.

Von einer Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb spricht nach der vergangenen Saison allerdings niemand mehr. So wird Manager Dieter Hoeneß nicht müde, als Ziel einen einstelligen Tabellenplatz auszugeben. „Dabei orientieren wir uns mehr an Platz neun als Platz eins“, sagt der Manager.

Falko Götz spürt jedoch, dass sich viele insgeheim mehr von ihm erhoffen. Zumal nach den Verpflichtungen der Mittelfeldspieler Yildiray Bastürk und Gilberto. „Ich weiß, dass die Erwartungen sehr hoch sind“, sagt Götz. Im Umgang damit helfe ihm seine Zeit bei 1860 München. „Ich habe da ein dickes Fell bekommen und gelernt, mich nur auf meinen Job zu konzentrieren.“

Entsprechend gelassen nahm er auch die Verletzung von Bastürk, der einen Haarriss im rechten Wadenbein erlitt und die ersten beiden Bundesligaspiele verpassen wird. „Das ist zwar eine traurige Geschichte, denn Yildiray war für die Stammformation eingeplant“, sagt der Trainer. „Aber jetzt wird sich zeigen, dass wir einen individuell stark besetzten Kader haben.“

Dazu gehören vor allem die Nationalspieler Fredi Bobic, Arne Friedrich, Niko Kovac und Josip Simunic. Sie hatten wegen der Europameisterschaft und anschließenden Urlaubs das Trainingslager nicht mitmachen können. Für Falko Götz beginnt nun ein entscheidender Teil seiner Mission „Einheit“: „Mit denen, die mit in Österreich waren, ist das sehr gut gelaufen“, sagt der Trainer. „Jetzt ist das Entscheidende, dass die vier bisher fehlenden Spieler zum Team finden.“ Wer sich auf wen zubewegen muss, ist für ihn klar: „Sie müssen sich in die Mannschaft integrieren und nicht umgekehrt.“ Kurze Pause. „Ich denke, wir werden das ohne Konflikte hinbekommen.“ Plötzlich schiebt der Gute-Laune-Trainer drohend nach: „… solange jeder weiß, was er zu tun hat.“

Um die Integration zu beschleunigen, hat Götz bei der Wahl des neuen Mannschaftskapitäns zu einem Trick gegriffen. Für den zurückgetretenen Dick van Burik ernannte er Arne Friedrich. Als Stellvertreter berief er neben van Burik ausgerechnet Fredi Bobic. Dem Stürmer war in der Vergangenheit zu ausgeprägter Egoismus vorgehalten worden. „Ich möchte ihn in die Verantwortung nehmen“, sagt Götz. Vom Eigenbrötler zum Vizeklassensprecher – ein geschickter pädagogische Trick. Fußball ist eben wie Schule.