berliner szenen Auf der Hundekackwiese

Sandalengrusel

Jetzt kommen sie wieder aus den Löchern, die Männer und Frauen in Sandalen. Entgegen landläufiger Meinung stellt sich schnell heraus, dass nicht nur Männerfüße in Freilufttretern hässlich sind, sondern auch Frauenfüße. Was am Schuhwerk liegt. Oder an dem Drumherum – Flipflops, Zehenringe, Fesselfesseln (bekannt als Fußkettchen) sind ein totaler Grusel, nicht nur für Sockenfetischisten (wie mich).

Auf der Hundekackwiese am Senefelder Platz dominieren Turnschuhe. Aus dem Bauwagen, der für Kaffee- und Bierausschank zuständig ist und der eigentlich zu dem kleinen Punkladen um die Ecke, der „MS Völkerfreundschaft“, gehört, dröhnt eine lustige Kalypsomusik. So viel Hundekacke liegt hier gar nicht, dafür hat sich vor der mit Bierbänken und rückenschädigenden Plastikstühlen besetzten Wiese eine Baustelle gepflanzt – nicht so der Anblick. Aber egal, denn endlich ist Sommer. Irgendetwas schwer glücklich Machendes flirrt durch die Luft.

Im Strandkorb sitzt ein Punkmädchen und liest in einem Suhrkampband, im Schatten des großen Zigarettenmarkenreklamesonnenschirms bringen sich zwei Pärchen Doppelkopf bei. Enigmatische Ansagen wie „Ich habe eine Armut“ wehen herüber. Die Serviererin hat etwas Südländisches, passt auch zum Kalypso. Ihr T-Shirt macht Werbung für eine Frauenband aus den USA. Die All Girl Summer Fun Band. Ihr Schuhwerk ist nicht zu sehen so hinter der Theke. „Gelb oder rot?“, möchte sie jetzt wissen. Es geht um die Farbe der Limonade. „Rot“, finde ich.

Unterdessen wandern Schatten und Spielrunde weiter. Die beiden Frauen heben die Röcke, um sich auf die Bierbänke setzen zu können. Die Männer tragen Sandalen. Es kann nicht alles perfekt sein. RENÉ HAMANN