Senat biegt noch nicht richtig ab

Gut: Die Bauverwaltung malt 40 Kilometer neue Radstreifen auf die Straßen – vor allem in Mitte. Schlecht: Noch immer sind Radwege auf Bürgersteigen in Planung, obwohl sie als gefährlich gelten

VON FELIX LEE

Das wird Berlins Fahrradfreunde freuen: 40 Kilometer neue Radwege sollen in der Hauptstadt entstehen. Und zwar nicht auf Kosten der Fußgänger auf den Bürgersteigen, sondern tatsächlich auf den Autostraßen. Wie der Tagesspiegel gestern berichtete, steigt die Gesamtlänge dieser markierten Radwege damit von 60 auf 100 Kilometer.

Damit erkennt der Senat endlich an, was der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) seit Jahren sagt: dass Radfahrer auf die Straße gehören und nicht auf den Bürgersteig. ADFC-Sprecher Benno Koch kritisierte schon vor Jahren den Neubau von Radwegen, die separat neben der Straße verlaufen. 75 Prozent aller schweren und tödlichen Fahrradunfälle finden auf Radwegen statt, so Koch. Die Hauptgefahren liegen dabei neben dem toten Winkel in der baulichen Trennung von Radweg und Straße, weil Autofahrer beim Abbiegen oftmals Radler übersehen (siehe Kasten).

Allein 2003 gab es in der Stadt fast 500 schwere so genannte Rechtsabbiegerunfälle, die in 24 Fällen Todesopfer forderten. Rund 700 Kilometer solcher gefährlichen Fahrradwege gibt es noch auf Bürgersteigen.

Koch, der seit fast einem Jahr als Fahrradbeauftragter im Senat die Verkehrswegeplanung kritisch begleitet, fordert Stadtbausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) auf, die Einrichtung von Radspuren auf den Fahrbahnen zur „Regellösung“ zu erklären. „Wer sich sieht, fährt sich nicht um“, ist sich Koch sicher.

Für den Senat vor allem ausschlaggebend war das Kostenargument. Denn Radstreifen kosten häufig nur ein Zehntel dessen, was der Bau von Radwegen kosten würde. 5 Millionen Euro will die Verwaltung dieses Jahr für den Radwegeausbau ausgeben. Im Vergleich zu den 400 Millionen Euro, die allein für den Tiergartentunnel anfallen werden, seien 5 Millionen nicht viel, aber ein Anfang, so Koch.

Zu den 28 Straßen, die nun eigene Radspuren erhalten, gehören unter anderem die Gitschiner Straße in Kreuzberg, Teile der Frankfurter Allee in Friedrichshain, die Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg und vor allem zahlreiche Straßen in Mitte wie die Leipziger, die Stralauer und die Mollstraße. Die Kriterien, nach denen die Straßen ausgewählt wurden, hingen vor allem mit dem so genannten Velo-Routen-Konzept zusammen, einem Radverkehrsplan, der innerhalb der nächsten zehn Jahre berlinweit 660 Kilometer Fahrradstrecken miteinander verbinden soll. Dass vor allem in Mitte so viele neue Radspuren angelegt werden, habe damit zu tun, dass Mitte im Radverkehr von allen Bezirken die größten Lücken aufweist, so der ADFC-Sprecher.

Auch wenn die Bauverwaltung anerkannt hat, dass Radspuren auf Straßen die sichere und kostengünstigere Variante darstellen – sie plant auch weiterhin herkömmliche Radwege. Die Gründe sind vielfältig: Zum Teil stammen viele Verkehrswegepläne noch vom Senat mit CDU-Beteiligung; sie wollte Radverkehr auf Autostraßen verhindern. Zum anderen würden auf einigen Straßen wegen der Laternen, Bäume oder Blumenkübel separate Radwege besser zum Straßenbild passen. Dies sei Koch zumindest als Argument angeführt worden. Verkehrssicherheit werde häufig hinter ästhetische Gründe gestellt, stellt der ADFC-Sprecher fest.