der kommentar
: Politikmaschine mit Emotionen

Guido Westerwelle möchte nun von seinem Coming-out politisch profitieren. Das ist nur legitim.

Was ist das eigentlich, „still“? Vier Seiten Interview in der heutigen Ausgabe des Spiegels, fünf Zentimeter hohe Lettern in der Bild – und trotzdem reden alle Medien vom „stillen Coming-out“ des FDP-Vorsitzenden.

Still geblieben ist bis heute eigentlich nur einer: Guido Westerwelle selbst. „Ich bin schwul“ – diesen Satz verweigert der gesprächige Parteichef mit Bedacht. Zu einer „Selbstverständlichkeit“ müsse man sich nicht „bekennen“, findet er. Und wollte es also machen wie jeder andere Politiker auch. Schließlich sagt Angela Merkel auch nicht vor laufender Kamera: „Ich bin Hetera.“ Sie bringt ihren Mann zu passenden Anlässen einfach mit.

Fragt sich nur, warum Westerwelle seinen Gatten nicht schon früher auf dem Berliner Parkett eingeführt hat. Darauf gibt er eine entwaffnende Antwort. „Man kann doch nur gemeinsam zu Veranstaltungen gehen, wenn man nicht allein ist.“ Womit die bislang offizielle Version des „bekennenden Junggesellen“ zumindest keine Lüge wäre.

Alle schwulen Politiker, deren Outing in den letzten Jahren Thema war, galten zuvor als unterkühlte Karrieristen. Das war kein Wunder, hatten sie dem Publikum doch ganz bewusst alles Menschliche vorenthalten. Aber in der repräsentativen Demokratie verlangen die Wähler legitimerweise Persönlichkeiten, keine Politikmaschinen ohne Emotionen. Es ist deshalb nur legitim, dass Westerwelle von seinem Bekenntnis, das keines sein sollte, auch politisch nach Kräften profitieren will. Indem er ausgerechnet auf dem Geburtstag der CDU-Chefin erstmals mit Freund erschien, festigte er auch die Bindung an den künftigen Koalitionspartner – und schärfte in Abgrenzung vom „erzkonservativen Weltbild der CSU“ das eigene Profil. RALPH BOLLMANN