: Was macht Gerechtigkeit aus?
betr.: „Grüne Yuppies entdecken Links“, „Wir sind die Linken“, taz vom 22. 7. 04
In den Zitaten kann ich nur Sprechblasen ohne Inhalt finden. Wo soll denn die neu-linke Reise hingehen? Was macht denn Gerechtigkeit aus? Wie soll sie realisiert werden? Offensichtlich geht es um Geld. Offensichtlich geht es um Wirtschaft. Offensichtlich geht es um Transferleistungen.
Wo aber ist das tragfähige Modell einer neuen Gesellschaft auch nur in Ansätzen beschrieben? Hat sich Herr Nouripour auch nur ein bisschen damit beschäftigt, welche Konsequenzen Hartz IV für die Gesamtgesellschaft hat? Es geht nicht bloß um beschnittene Altersvorsorge! Die Frage der zumutbaren Arbeit dagegen hat sich durch den Wegfall des Zivildienstes und den leeren Kommunalkassen von selbst beantwortet.
Was aber sind die neu-linken Antworten auf Zwangsumsiedlungen, Armenghettobildung, Zwangsversteigerungen, Zusammenbruch des Baumarktes, Lohnkürzungen, vermehrte Arbeitslosigkeit?
Auch diese Leute gehören zu der Klasse von Politikern, zu der mir nur das Wort einfällt von dem „und sie wissen nicht, was sie tun!“
HANS-WERNER ANDREAS, Neu-Ulm
Wirklich bewundernswert an den „grünen Yuppies“ (taz) ist nicht das inhaltliche Profil, sondern der elegante Umgang mit den Medien: Da werden einige grüne Allgemeinplätze aufgeschrieben, dazu Anstöße aufgenommen, die andere innerhalb der Partei schon seit Jahren vertreten, zur Würze noch die eine oder andere etwas provokantere Aussage. Dem Ganzen wird ein Etikett à la mode gegeben – im Jahr der „Linkspartei“ kann das nur „Links neu“ sein. Und schon dokumentieren, interviewen etc. die linksliberalen Medien, was das Zeug hält.
Sehr viel erstaunlicher als der größtenteils innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen breit zustimmungsfähige Inhalt ist die Tatsache, dass das alle Jahre wieder klappt. Vielleicht sollte sich der klassisch-linke Flügel überlegen, sein nächstes Manifest unter ein Label wie „Alte Werte hochhalten“ zu stellen, um die Vermarktungschancen zu verbessern? Wie dem auch sei: Tarek, Boris, Grietje – herzlichen Glückwunsch zum Mediencoup und willkommen bei der Parteilinken! Übrigens: Ganz neu ist nicht einmal das Etikett: Die sonst so viel geschmähten Gründungsmütter und -väter unserer Partei wurden schon in den 1970ern als „Neue Linke“ diskutiert.
TILL WESTERMAYER, Freiburg
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen