Die Umkehr der Wahrheit

Nach polizeilicher Festnahmeaktion: Amtsgericht verhandelt gegen zwei Beschuldigte, die als ZeugInnen falsche Aussagen gemacht haben sollen

ZeugInnen sind zur Wahrheit verpflichtet. Gestern standen ein Mann und eine Frau in Hamburg vor dem Amtsgericht, weil sie sich an diesen Grundsatz nicht gehalten haben sollen – mit der Konsequenz, dass durch ihre Aussagen Polizisten fälschlich körperlicher Misshandlungen beschuldigt worden sein sollen. Das Amtsgericht stellte das Verfahren schließlich ein – gegen Kostenübernahme durch die Beschuldigten.

Nicola K. und Silvana K. hatten vor der Polizei berichtet, wie sie die Festnahme ihres Verwandten Zoran E. im Februar 2000 erlebten: Dieser sei von drei Beamten zu Boden gedrückt und mit Handschellen gefesselt worden. Zoran E. hatte zu dem Zeitpunkt eine frische Operationsnarbe auf dem Rücken. Darauf habe er die Polizisten hingewiesen – worauf diese, so die beiden ZeugInnen laut Anklage vor der Polizei, einen Fuß beziehungsweise ein Knie auf die Wunde gedrückt haben sollen.

Gegen die Polizisten ermittelte die Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) wegen Körperverletzung. Während das Verfahren lief, waren sie von der Möglichkeit der Beförderung ausgeschlossen. Nachdem die Ermittlungen eingestellt waren, drehte die Staatsanwaltschaft den Spieß um und leitete ein Verfahren gegen die ZeugInnen ein. Der Vorwurf: falsche Verdächtigung.

Rechtsanwalt Udo Jacob als Verteidiger der ZeugInnen wies aber vor dem Gericht gestern darauf hin, dass die beiden lediglich, wie es ihre Pflicht war, ihre Beobachtung mitgeteilt hatten. Niemals hätten sie behauptet, die Beamten hätten absichtlich auf die Narbe gedrückt. Außerdem seien sie nicht selbst aktiv geworden, sondern von der Polizei aufgefordert worden, ihre Erlebnisse zu schildern: „Sie haben die Polizisten nicht von sich aus angezeigt, sondern sind als Zeugen vorgeladen“, sagt Jacob.

Auch der Richter befand, die Tat sei „vom Schuldvorwurf am ganz unteren Rand“ anzusiedeln, und regte die Einstellung an. ELKE SPANNER