Ein Hauch von Anarchie und der Duft von altem Fett

Die Ausstellung „Imbissbuden – Essen ohne Grenzen“ würdigt die Rolle der Straßenküchen als soziale Treffpunkte und Störfaktoren im urbanen Raum

Sie prägt das Stadtbild. Sogar im Schatten der Monumentalbauten am Potsdamer Platz hat sie überlebt – die Imbissbude. Mehr als 2.000 gibt es laut Statistischem Landesamt in Berlin, eine in Deutschland einmalige Zahl. Der Autor Jon von Wetzlar hat den Buden ein Buch gewidmet und im Freilichtmuseum Domäne Dahlem die Ausstellung „Imbissbuden – Essen ohne Grenzen“ kuratiert. Sie zeigt typische Schnellverkoster aus Berlin, Russland oder Asien.

Von Wetzlar sieht sie als Bauwerk – herausgelöst aus ihrem Alltagszusammenhang. Die Imbissbude sei ein Ort „im Niemandsland“, sie besetze Stadtraum und sperre sich gegen Projekte von Stadtplanern. Der Imbissbude wohne, so schreibt von Wetzlar, „das Vorübergehende inne, ein Hauch von Anarchie umweht sie“.

In der Ausstellung ist eine Auswahl der Fotos von Christoph Buckstegen zu sehen, Porträts Berliner Imbissbudentypologien. Die native, die „Mutter der Imbissbuden“ ist laut von Wetzlar der kubische Würfel. Die Bedienung steht drinnen, der Kunde draußen. Die entwickelte bietet dem Hungrigen Dach oder Vorraum. Die definitive lädt den Esser in den Innenraum. Doch viel wichtiger ist von Wetzlar die soziale Bedeutung der Bude. Zunehmend werde sie für Arme und Arbeitslose ein Ort der Kommunikation, ein Familienersatz. „Die Architektur“, sagt von Wetzlar, „darf doch nicht nur vorschreiben, wo man gehen darf, wo essen, wo verweilen. Es muss in der Stadt doch Raum geben für verschiedene Lebensmodelle.“ Der Imbiss ist dann so etwas wie eine anarchistische Insel. Von Wetzlar ist das wichtig: „Ein Imbiss muss stinken, dreckig sein, da muss man saufen und auch rumsauen dürfen.“

Dank der Projektgruppe „Geruchsdesign“ von der Kunsthochschule Halle wird die Ausstellung zum multisensuellen Erlebnis. Gerüche liegen als Granulate in Metalldosen: „Grill-Moll“ neben einem ausgestellten „Grill-Walker“, „Kalter Kaffe“ an der zerlegten Imbissbude, und neben den Fotos russischer Kioske duftet „Großstadtgrau“, eine Mischung von Autoabgasen, Asphaltgeruch und Abfalleimern. Das passt gut zum Tisch in der Raummitte, der mit einer Plastikdecke, überquellendem Aschenbecher, dreckigen Servietten und Salzgebäckkrümeln verschmiert ist. Der Anspruch, Geruch als Kulturmittler einzusetzen, wird erfüllt. Die olfaktorischen Elemente ziehen sich durch die ganze Ausstellung. Im „Eat-Art“-Raum von Patricia Waller liegen gehäkelte Bierdosen, Fritten und Döner – zu riechen ist „Zwei links, zwei rechts, eine fallen lassen“. Der Flame Christian Libens malt typisch belgische Friterien in Öl auf Leinwand. Nur zu essen gibt es nichts. Dafür muss man zum nächsten Imbiss, am U-Bahnhof Dahlem-Dorf.

NICOLAI KWASNIEWSKI

Die Ausstellung im Freilichtmuseum Domäne Dahlem, Königin-Luise-Straße 49, ist bis 15. Dezember täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt 2 Euro, ermäßigt 1 Euro, mittwochs freier Eintritt. Mehr Fotos und Texte unter www.imbiss-bude.com