„Ein Label braucht Visionen“

International sein, independent bleiben: Gudrun Gut, Chefin des Musiklabels Monika Enterprise, über die Zusammenarbeit mit China und zur Frage, ob die afghanische Burka Band ein Fake ist

Interview CHRISTOPH BRAUN

taz: Es geht das Gerücht um, Ihr Plattenlabel Monika Enterprise sei an den Musikkonzern Universal verkauft worden. Stimmt das?

Gudrun Gut: Nun, in finanzieller Hinsicht wäre mir das ein Vergnügen! Ein paar Millionen auf dem Konto, das wäre schön. Doch das ist totaler Quatsch. Vielleicht verwechselt jemand Universal mit Labels. Barbara Morgensterns Platte „Nichts muss“ haben wir ja in Kooperation mit Labels veröffentlicht.

Vielleicht sollte Monika im Gegenteil mal einen Major übernehmen. Die großen Firmen reden doch die ganze Zeit vom langfristigen Künstleraufbau. Schaut man sich die zuletzt veröffentlichten Monika-Alben an – Barbara Morgenstern, Contriva, Masha und Komeït –, dann sind das bis auf die Quarks jene Bands, mit denen Monika im Gründungsjahr 1997 angefangen hat.

Das Label eher klein halten, dafür aber auf die Künstler individuell eingehen, das ist eben unsere Strategie. Ich glaube, junge Künstler müssen sich finden. Es gibt unheimlich viele Fragen am Anfang. Du musst dich als Künstler langsam verbessern können und nicht gleich einen Hit haben müssen. Und als Label muss man eine Vision haben vom Künstler oder der Künstlerin.

Die Qualität mag dadurch steigen – steigen denn auch die Verkaufszahlen?

Auf jeden Fall. Uns betrifft auch die Flaute im Musikbusiness nicht so richtig.

Im November 2002 waren Sie als Mitglied des Ocean Club mit Thomas Fehlmann und anderen auf China-Tour. Hat es etwas gebracht?

Jetzt wird dort eine Compilation erscheinen. Der Organisator unserer Tour versucht schon lange, dort ein Label zu betreiben. Schwierig. Denn gerade was Kultur anbetrifft, hat der Staat China noch sehr den Daumen drauf. Im September – in China kann es sich etwas verzögern – erscheint in Deutschland und China die Compilation „Ocean Club for China“. Dafür kooperieren wir mit V2 Records. Wir mussten für China alle Texte einreichen. Der Staat überprüft, ob da nichts Aufmüpfiges drinsteht.

Ihr eigenes Label Monika wird außerdem bereits in Europa und den USA vertrieben.

Und jetzt haben wir auch noch eine Lizenzierung nach Australien. Das freut mich ganz besonders. Denn Australien ist Macho-Country. Ich habe noch nie so viele Machos gesehen wie in Australien. Da finde ich das ganz toll, wenn Frauen wie Barbara Morgenstein und Masha von den Quarks dorthin fahren.

Ist es für Frauen mittlerweile einfacher geworden, Musik zu machen?

Ich finde, in Berlin ist es schon gut gemischt. Aber in dem Augenblick, in dem eine Frauenband „eine Frauenband“ genannt wird und eine Männerband nicht „eine Männerband“, da stimmt dann irgendwas nicht. Den Punkt möchte man doch mal erreichen: dass das eine Band ist und keine „Frauenband“.

Die aktuelle Single auf Monika kommt von der Burka Band. Und Sie nennen Sie selbst „die erste afghanische Frauenband“.

Das stimmt. Da zählt ja die Situation. Drei Frauen haben das erste Mal die Möglichkeit, überhaupt in Afghanistan Musik zu machen. Das war bislang für Frauen dort verboten. Als ich das Video zu „Burka Blue“ von der Burka Band sah, dachte ich: Das ist ein Fake des Ata-Tak-Labels, das ja als Verlag des Songs fungiert. Ich konnte gar nicht glauben, dass da wirklich drei afghanische Frauen in den Burkas stecken und singen: „My Mother Wears Blue Jeans Now And I Am So Surprised“.

Und? Ist’s ein Fake?

Nein. Ich habe bei Frank Fenstermacher von Ata Tak sofort nachgefragt. Die Realität sieht so aus: Kurt Dahlke, Frank Fenstermacher und Saskia Klitzing von der Ata-Tak-Band A Certain Frank haben das mitproduziert. Sie haben denen geholfen bei der Produktion. Das war ja auch die Aufgabe von A Certain Frank. Die waren vom Goethe-Institut nach Kabul eingeladen, um einen Musik-Workshop zu leiten. Und dass dabei überhaupt was rausgekommen ist, das finde ich wert genug, den Song zu veröffentlichen.

Heute 23 Uhr Record-Release-Party „Ocean Club for China“ im WMF, Karl-Marx-Allee 34