Nato-Schiffe lassen den Walen keine Ruhe

Nach Seemanöver offenbar erneut Tiere durch U-Boot-Sonar getötet. USA wollen Schutzauflagen dennoch aushebeln

BERLIN taz ■ In Lanzarote und Fuerteventura sind zwei tote Schnabelwale angespült worden. Die kanarische Regierung macht dafür Seemanöver der Nato verantwortlich, die vor zwei Wochen 400 Kilometer nördlich der Kanaren stattfanden. Erst vor zwei Jahren trieben 14 tote Tiere nach einem Nato-Manöver an die kanarischen Küsten. Die Inselregierung fordert nun eine Untersuchung des spanischen Verteidigungsministeriums.

Vor zwei Jahren waren die Schnabelwale von britischen und spanischen Forschern untersucht worden: Die Veterinäre entdeckten Stickstoffbläschen in den Arterien von Hirn und Leber, ganz wie man es bei Tauchern findet, die aus großer Tiefe zu schnell auftauchen. Dadurch können die Blutgefäße platzen. Diese so genannte Taucherkrankheit ist offenbar Ursache für den Tod der Wale. Die Forscher vermuten, dass die Tiere von dem Lärm der Sonare aufgeschreckt wurden, die das Militär nutzt, um U-Boote aufzuspüren.

Um die modernen nieder- und mittelfrequenten Ortungsgeräte gibt es seit längerem eine erbitterte Kontroverse zwischen Tierschützern und den Militärs. 1994 ging der amerikanische Umweltverband NRDC erstmals Gerüchten nach, das Experimente mit neuartigen LFA-Sonargeräten stattfänden, die extrem laute Schallwellen im Bereich von 100 bis 500 Hertz (Bassfrequenzen) aussenden, so laut wie ein zweimotoriger Kampfjet. Noch in einer Distanz von knapp 500 Kilometern haben die Sonare nach Militärangaben einen Schalldruck von 140 Dezibel, so laut wie ein normales Flugzeug in einem Meter Entfernung (wenn auch das menschliche Ohr das Turbinenkreischen lauter wahrnimmt als tiefe Töne).

Die Wale werden davon offenbar stark gestört. Erste Beweise gab es bereits im März 2000, als 17 Schnabelwale, Zügeldelphine und Zwergwale an den Bahamas mit Blutungen an Hirn und Ohren strandeten – sieben verendeten. Die gesamte Population der Cuvier-Schnabelwale ist seit dieser Zeit aus der Region verschwunden.

Obwohl die US-Marine eine Verantwortung verneint, ergaben die Untersuchungen der Regierung, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Sonargeräte schuld waren. Inzwischen wurden solche Strandungen nach Manövern in Griechenland, an den Virgin Islands, an der Nordwestküste der USA, in Japan nahe einer US-Basis und bereits fünfmal an den Kanaren registriert. Deshalb hatte eine US-Richterin in San Francisco im August 2003 den Einsatz des Sonars in weiten Teilen der Meere untersagt.

Doch kurz danach brachte die Bush-Regierung ein Gesetz durch den Kongress, der das Militär von einigen wichtigen Meeresschutzauflagen des Marine Mammal Protection Act befreit, auf denen das Urteil beruht. Damit versucht die Regierung nun, das Urteil anzufechten. Der demokratische Senator Frank Lautenberg sprach vom größten Rückschlag für Meeresschutz seit 30 Jahren. Der NRDC hat nun zusammen mit drei weiteren US-Verbänden in einem Schreiben an die Marine verlangt, die Sonare walverträglicher zu gestalten. Sonst ziehe man erneut vor Gericht. MATTHIAS URBACH