Kofi Annans eleganter Krisenmanager

Mit dem Brasilianer Sergio Vieira de Mello verliert die UNO einen ihrer erfolgreichsten und erfahrensten Diplomaten

„Die Präsenz der Vereinten Nationen im Irak bleibt verwundbar durch all jene, die es auf unsere Organisation absehen.“ Dies sagte Sergio Vieira de Mello im Juli vor dem Weltsicherheitsrat in New York. Wie sehr diese Einschätzung des seit Ende Mai amtierenden UN-Sonderbeauftragten für den Irak zutraf, zeigte sich am Dienstag auf tragische Weise. Eine vor dem UN-Gebäude in Bagdad gezündete Autobombe tötete 17 UN-Mitarbeiter einschließlich de Mello. Zunächst hatte der Brasilianer schwer verletzt in den Trümmern des eingestürzten Canal-Hotels überlebt, doch später konnte er nur noch tot geborgen werden.

Mit de Mello verliert die UNO einen ihrer erfolgreichsten und erfahrensten Diplomaten, der wohl auch zu ihren schönsten und charmantesten gehörte. Der schlanke 55-Jährige verband schlichte Eleganz mit hoher Intelligenz und einer unzerstörbaren Kraft, immer wieder nach Lösungen in ausweglos scheinenden Konfliktsituationen zu suchen. De Mello war ein ausgesprochener Realist. Sein diplomatisches Geschick hatte ihn in den vergangenen Jahren zu Kofi Annans wichtigstem Krisenmanager gemacht. Annan schickte ihn erst in das Kosovo, dann nach Osttimor, wo er mit der Überführung der Inselhälfte in die Unabhängigkeit einen sehr guten Job machte, und schließlich wurde er 2002 auf Vorschlag Annans zum UN-Menschenrechtskommissar gewählt.

Mit dem auf vier Monate angelegten Job als UN-Sonderbeauftragter für den Irak sollte de Mello der UNO in dem Land wieder zur Geltung verhelfen, nachdem die USA und Großbritannien dort an der Weltorganisation vorbei erst Krieg führten und dann immer wieder neue Tatsachen schufen. De Mello sprach von einer „bizarren Lage“ für die UNO und sah seine Hauptaufgabe darin, die Interessen der Iraker gegenüber den Besatzungsmächten zu vertreten. In Osttimor hatte er gelernt, wie wichtig es ist, die Einheimischen frühzeitig in Entscheidungen einzubeziehen, auch wenn dies manches verlangsame, wie er in einem taz-Interview einräumte.

Die USA hatten in letzter Zeit nie gegen Ernennungen de Mellos gestimmt, weshalb Menschenrechtsorganisationen zunächst befürchteten, er könnte als Menschenrechtskommissar zu US-freundlich sein. De Mello wusste seine Kritik an Washington immer geschickt zu verklausulieren, gleichzeitig war seine verbindliche und konstruktive Art bei US-Diplomaten anerkannt. So erwarb er sich schnell das Vertrauen des US-Irakverwalters Paul Bremer, sagte aber auch kürzlich in einem Interview: „Mir würden ausländische Panzer an der Copacabana auch nicht gefallen.“

Als Sohn eines von den brasilianischen Militärs geschassten Diplomaten hatte de Mello 1969 schon als Student für die Weltorganisation zu arbeiten angefangen. Später promovierte er in Paris in Philosophie und arbeitete vor allem im Bereich des Flüchtlingshochkommissariats. So lernte er fast alle Krisenherde der Welt kennen. Er erlebte im Libanon den israelischen Einmarsch, leitete in Kambodscha ein Entminungsprogramm, kümmerte sich um Flüchtlinge in Mosambik, Bangladesch, Sudan und Peru und war humanitärer Koordinator für das Gebiet der Großen Seen in Ostafrika. Sein Job im Irak sollte am 27. August enden, danach wollte er ins Menschenrechtshochkommissariat zurückkehren. SVEN HANSEN