Neuer 11. September befürchtet

Risikoanalysten erstellten erstmals einen globaler Terrorindex, der Investoren als Entscheidungshilfe dienen soll. Danach sind die USA hinter Kolumbien, Israel und Pakistan der gefährdetste Standort. Deutschland ist mit Platz 41 relativ sicher

aus Berlin SVEN HANSEN

Getreu dem Glauben vieler Ökonomen, das Weltgeschehen lasse sich in neutralen Zahlen objektiv ausdrücken, haben britische Forscher erstmals einen internationalen Terrorindex erstellt. Er misst das Risiko terroristischer Anschläge in 186 Ländern. „70 Prozent unserer Kunden sehen Terrorrisiken als wichtige Investitionsentscheidung im Ausland an“, sagt Tomos Packer, Europa-Analyst des Londoner World Market Research Centres, das den „Global Terrorism Index 2003/4“ erstellt hat. Nach dem in London vorgestellten Index sind von den westlichen Industrieländern die USA am meisten gefährdet. Lediglich in Kolumbien, Israel und Pakistan ist die Gefahr terroristische Gefahr größer. Nur die Industrienationen betrachtet, folgen im Ranking: Großbritannien (Platz 11), Spanien (19), Frankreich (23), Italien (30) und Deutschland (41).

Damit ist das Risiko in den USA noch höher als auf den Philippinen, in Afghanistan, Indonesien, Irak, Indien und Sri Lanka, die im Index die Ränge fünf bis zehn einnehmen. Und beim US-Verbündeten Großbritannien ist laut Index das Anschlagsrisiko höher als etwa in Jemen (Rang 15) oder Libanon (37).

„Amerika ist Ziel Nummer eins für viele Terrorgruppen“, sagt gegenüber der taz Guy Dunn, Forschungsdirektor des World Market Research Centres, das auf Länderrisikoanalysen spezialisiert ist. Zwar seien die Netzwerke militanter islamistischer Gruppen in den Vereinigten Staaten weniger umfangreich als etwa in Westeuropa, aber die US-geführten Militäraktionen in Afghanistan und Irak hätten negative Gefühle gegen die USA verschärft. „Ein weiterer Terrorangriff wie am 11. September ist in den USA sehr wahrscheinlich“, meint Dunn. Allerdings sei der Index keine Vorhersage, sondern nur Analyse aller verfügbaren Daten. „Demnach sind die Chancen für einen Anschlag sehr hoch,“ so Dunn.

„Angesichts der Größe des Landes und der Freiheiten, die seine Bevölkerung genießt, wird es für die USA unmöglich sein, die Bedrohung auszuschalten“, heißt es in der Studie. Zum hohen Länderrisiko würden auch die großen Risiken für US-Interessen im Ausland beitragen.

Das Terrorrisiko wird nach fünf Kriterien beurteilt, die unterschiedlich gewichtet in den Index einfließen: Motivation der Terroristen für Angriffe in oder gegen ein Land (40 Prozent), die Präsenz terroristischer Gruppen (20 Prozent), die Fähigkeit der Gruppen zu Anschlägen (20 Prozent), die Wirksamkeit terroristischer Gruppen und ihr Zugang zu Waffen (10 Prozent) sowie die Fähigkeit des jeweiligen Landes, sich gegen terroristische Angriffe zu verteidigen (10 Prozent). Die jeweiligen Kriterien werden dabei auf einer Skala von eins bis zehn bewertet.

Die Ironie des Index ist, dass ausgerechnet das zu George W. Bushs Achse des Bösen zählende Nordkorea als am terrorsichersten gilt: Dunn: „Die Kontrolle des Staates in Nordkorea ist so repressiv, dass die Möglichkeit eines Terroranschlages dort so gut wie nicht existiert.“