Wie Gregor Gysi die Welt nicht rettet

Bei der Präsentation seines neuen Buches gibt der einstige PDS-Star preis, dass der Nahe Osten ohne ihn befriedet werden muss. Und dann erklärt ihm SPD-Generalsekretär Olaf Scholz auch noch, warum es mit der PDS und dem Sozialismus vorbei ist

Scholz attestiert Gysi Ansichten, wie sie ein CSU-Minister in Bayern haben könnte

aus Berlin JENS KÖNIG

Israel wird die besetzten palästinensischen Gebiete doch nicht räumen müssen. So viel lässt sich nach der Vorstellung von Gregor Gysis neuem Buch gestern in Berlin mit Sicherheit sagen.

Eine ältere Dame im Publikum hatte Gysi mit einer als Frage getarnten Lobeshymne auf seine grandiosen außenpolitischen Fähigkeiten aufgefordert, er möge sich doch endlich um den Nahen Osten, besser noch um die gesamte islamische Welt kümmern. Gysi wurde mit einem Mal ganz bescheiden. „Man soll sich nicht selbst übernehmen“, sagte er. Da war man als Zuschauer doch einigermaßen enttäuscht. In seinem Buch hat Gysi auf Seite 135 seinen Einfluss als global player noch überzeugend dargestellt. Er berichtet dort von einem „längeren Gedankenaustausch“ mit UN-Generalsekretär Kofi Annan am Rande einer Gala in New York: „Wir sprachen vor allem über die Situation im Nahen Osten, und er war ähnlich pessimistisch wie ich.“ Und jetzt dieser Rückzug auf der Buchpremiere. „Ich bin nicht dafür prädestiniert, im arabischen Raum politisch gestaltend einzugreifen“, sagte Gysi. Die ältere Frau im Publikum guckte enttäuscht. Vermutlich hat auch sie bemerkt, dass ihr Idol mit seinem Satz gerade die deutsche Sprache hinter die Brüder Grimm zurückgeworfen hatte.

„Obwohl“, holte Gysi plötzlich noch mal aus, „im Dezember reise ich nach Israel. Dort werde ich auch die palästinensische Autonomiebehörde besuchen.“

Muss sich Ariel Scharon doch noch auf was gefasst machen?

Dieser Teil der gestrigen Veranstaltung passt ganz vorzüglich zum Buch des einstigen PDS-Stars, das ja schon im Titel („Was nun? Über Deutschlands Zustand und meinen eigenen“) sagt, worum es sich handelt: um ein therapeutisch angelegtes Selbstgespräch des ehemaligen Berliner Wirtschaftssenators, der nicht so recht weiß, was er mit seinem Leben nach der Politik anfangen soll. Man war schon einigermaßen erstaunt, was SPD-Generalsekretär Olaf Scholz dazu bewogen hatte, dieses, nun ja, Buch vorzustellen. Aber während Scholz’ Laudatio wurde sein Motiv klar: Er wollte Gysi und der PDS, jetzt, da deren Karrieren sich dem Ende neigen, noch einmal eine reinwürgen.

Der SPD-Generalsekretär tut das auf eine süffisante, trockene Art, die man ihm (Spitzname: „Scholzomat“) gar nicht zugetraut hatte. Wer wissen wolle, was Gysi in seiner kurzen Zeit als Wirtschaftssenator „alles tat und ließ und wem er so alles begegnete“, komme „voll und ganz auf seine Kosten“, berichtet Scholz über sein Lesevergnügen der ersten 178 Seiten. Dann attestiert er Gysi Ansichten, die genauso ein CSU-Wirtschaftsminister in Bayern haben könnte, und fragt: „Was ist der spezielle Beitrag von Politik, wenn sie nicht mehr speziell ist?“ Schließlich prognostiziert er das Ende von Gysis Partei: „Der Osten hat sich verändert, die PDS hat es verschlafen.“

Nur als der SPD-General gleich noch den demokratischen Sozialismus mit zu Grabe trägt, weil mit dem Begriff keiner mehr etwas anfangen könne, blitzt Gysis Schlagfertigkeit auf. „Ich dachte, Scholz organisiert heute eine Übergabe des Begriffs, so dass die PDS eine Art Monopolstellung hat.“

Dann widmet sich Gysi wieder sich selbst, einmal sogar erfolgreich. Wie er sich die neue Ostalgiewelle erkläre, wird er gefragt. Er wisse es nicht, sagt Gysi. „Ich muss darüber erst nachdenken.“ Das sollte er öfter tun.