Ronald Schill verzieht sich

Der geschasste Innensenator Ronald Schill will die Hamburger Koalition offenbar nicht platzen lassen: Er strebt nicht an, Fraktionsvorsitzender zu werden

aus Hamburg PETER AHRENS

Alles Alltag im Terminplan des Hamburger Senats: Gestern besuchte Bürgermeister Ole von Beust den Hamburger Stadtteil Rahlstedt, für heute wird ein Probealarm der Sturmflutsirenen angekündigt, der Senat gratuliert der Altenbegegnungsstätte St. Georg – im Rathaus bleibt man bei der Tagesordnung. Und das, obwohl seit der Entlassung von Ronald Schill, der Symbolfigur des Rechtssenats, aus dem Amt des Innensenators gerade mal 24 Stunden vergangen waren. Schnell hatte sich die Schill-Partei von ihrem Gründer und Namensgeber verabschiedet und will nun in der Hamburger Koalition so weitermachen, als sei nichts gewesen. Die Menschen, die die Entlassung Schills am Dienstagabend auf einer spontanen Fete im Schanzenviertel feierten, haben sich denn auch zu früh gefreut: An der unsozialen Politik, die Hamburg seit zwei Jahren prägt, wird sich erst einmal nichts ändern.

Neuwahlen, die am Dienstag noch bis in den Nachmittag als konkrete Perspektive gehandelt wurden, sind nach dem Beschluss der Schill-Fraktion, die Koalition mit CDU und FDP fortzusetzen, erst mal vom Tisch. Die Abgeordneten der Partei Rechtsstaatlicher Offensive haben sich dafür entschieden, das angenehme Parlamentarierleben noch ein Weilchen fortzusetzen. Bei dem gegenwärtigen Standing der Schill-Partei hätte ein Großteil von ihnen befürchten müssen, bei Neuwahlen aus der Bürgerschaft zu fliegen. Es wäre derzeit nicht einmal sicher gewesen, ob die Partei die Fünfprozenthürde wieder überwunden hätte. Da ist die Alternative, noch zwei Jahre lang Abgeordnetendiäten zu erhalten, statt wieder das Kleinbürgerleben als Polizeibeamter oder Rentner zu führen, das sie in ihrem vorpolitischen Dasein gelebt hatten, zu verlockend.

Ob die Rechts-Koalition tatsächlich bis zur kommenden Wahl durchhält, hängt daher weniger vom Standvermögen der Schill-Leute ab, sondern eher von der Zukunft ihres ehemaligen Parteiidols. Ronald Schill hatte zwar gestern Interesse an dem Posten des Fraktionsvorsitzenden gezeigt, allerdings am Nachmittag dieses Ansinnen wieder zurückgenommen: „Ich will als Abgeordneter tätig werden und habe darüber hinaus keine Ambitionen“, sagte Schill der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er gehe davon aus, dass der derzeitige Fraktionschef Norbert Frühauf sein Nachfolger in der Innenbehörde wird. Die CDU-Fraktion hält nach den Worten ihres Vorsitzenden Michael Freytag den Fortbestand der Koalition nicht für möglich, wenn Schill Fraktionschef wird. Ein Fraktionsvorsitzender Schill, der in allen wichtigen Fragen mitzureden hätte und mit Bürgermeister Ole von Beust an einem Tisch säße – unmöglich.

Mit einem ruhig gestellten Schill auf der Hinterbank stehen von Beust nun vielleicht zwei bequeme Regierungsjahre ins Haus. Der Nachfolgerkandidat Frühauf gilt als handzahm und farblos. Die CDU hatte schon bisher die Richtlinien der Schwarz-Gelb-Schill-Politik dominiert: Sozialabbau, Abschiebungsrekorde, Polizei an jeder Ecke – alles Ziele, die der Senat auch ohne einen Ronald Schill weiter verfolgen wird.

Und die Vorwürfe der Günstlingswirtschaft, die Schill in Bezug auf von Beust und seinen angeblichen Lebenspartner, den Justizsenator Roger Kusch, geäußert hat, wurden gestern in der Hansestadt bereits möglichst niedrig gehängt. Kusch gilt als erfahrener Jurist – von daher laufen Attacken, der Bürgermeister habe das Amt des Justizsenators lediglich nach persönlichen Vorlieben besetzt, mehr oder weniger ins Leere.

Die SPD, die am Dienstag kurzzeitig wieder an der Rathausmacht schnupperte, bleibt in den Startblöcken hocken. Damit dürfte auch klar sein, dass der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für das Bürgermeisteramt nicht Olaf Scholz heißen wird. Wenn es jetzt zu Neuwahlen gekommen wäre, hätte der Landesvorsitzende Scholz noch Zeit gehabt, sich aus seinem Amt als SPD-Generalsekretär zu verabschieden. Wenn aber erst 2005 gewählt wird, steht bereits die Bundestagswahl ein Jahr später vor der Tür. Und Scholz wäre in Berlin unabkömmlich.