Das Bremer Problem ist auf 2020 vertagt

Die Schuldenhilfe von 300 Millionen Euro hilft Bremen neun Jahre lang – was danach kommt, muss heute zum Glück niemand genau wissen. Schulden abbauen können wir jedenfalls nicht, erklärt Bürgermeister Jens Böhrnsen

Ist das Glas halb voll oder halb leer? Das ist die Frage bei der Bewertung der Ergebnisse der Föderalismuskommission für das völlig überschuldete Bremen. Mehr als 14 Milliarden Euro Schulden drücken den Stadtstaat bei einem Haushaltsvolumen von nur vier Milliarden, und vom Jahr 2020 an soll Bremen völlig ohne Neuverschuldung auskommen. In seiner Regierungserklärung machte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) am Mittwoch gute Miene zum bösen Spiel. Der Föderalismus habe „Handlungsfähigkeit“ bewiesen, formulierte Böhrnsen, die Kommission habe eine „große Hilfe“ beschlossen für Bremen: Neun Jahre lang soll es 300 Millionen Euro geben.

Das strukturelle Defizit liegt derzeit bei 500 bis 600 Millionen Euro, das bedeutet: der Haushalt müsste um mehr als 10 Prozent real schrumpfen. Wobei die Ausgaben des Stadtstaates im Jahre 2008 auf dem Niveau von 1998 lagen. Wie man noch mehr sparen soll, das weiß in Bremen eigentlich niemand genau, und da niemand weiß, wie sich die Steuereinnahmen entwickeln werden und wie die Personalkosten steigen, lässt sich derzeit auch nur kräftig spekulieren.

Eigentlich steht man in Bremen auf dem Standpunkt, dass der Stadtstaat strukturell besser gestellt werden müsste – die nächste Chance, darüber zu reden, gibt es aber erst bei den Verhandlungen um den neuen Finanzausgleich für die Zeit nach dem Jahr 2019.

Der CDU-Oppositionsführer Thomas Röwekamp machte dem rot-grünen Senat gestern ein offizielles Angebot für einen überparteilichen „Pakt“. Jedes Jahr müssten 30 Millionen Euro aus dem Etat herausgestrichen werden, um das Ziel zu erreichen. Die Sparpolitik müsse härter werden als sie bisher war.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Carsten Sieling erinnerte daran, dass die CDU in den letzten Jahren der großen Koalition alles andere als „sparsam“ regiert hat und nur bei der Sozialpolitik Einschnitte forderte. Dies habe die SPD verhindert und werde das auch zukünftig tun: „Wir werden dieses Gemeinwesen nicht kaputt sparen.“ Die CDU mache keine konkreten Vorschläge, wo sie die 30 Millionen pro Jahr streichen wolle, ein Pakt außerhalb des Parlaments entspreche zudem nicht seinem Demokratieverständnis: „Da wird nichts Gemeinsames draus“, erklärte der SPD-Politiker.

Klaus-Rainer Rupp von der Linken rechnete dem Parlament mit einer kleinen Excel-Tabelle vor, dass selbst eine Einsparung von 30 Millionen Euro pro Jahr nicht zu einem schuldenfreien Haushalt im Jahre 2020 führen könne. Die Rechnung gehe nur dann auf, so Rupp, wenn man davon ausgeht, dass den Staatsdienern und den Institutionen, die von staatlichen Zuschüssen leben, in den kommenden elf Jahren sogar der Inflationsausgleich verweigert wird – ein saniertes Bremen bedeute noch mehr Armut als die Stadt heute habe. Bremen, so die Linkspartei, müsse im Bundesrat mit „Nein“ stimmen, wenn die Ergebnisse der Föderalismuskommission zur Abstimmung kämen. KAWE