ISRAELS PROTESTIERENDE SIEDLER DRÄNGEN VOR ALLEM AUF KOMPENSATION
: Verzögert, nicht gestoppt

Die Menschenkette gegen den Abzug aus dem Gaza-Streifen ist zweifellos ein großartiger PR-Erfolg für die jüdischen Siedler. Nicht zum ersten Mal stellen sie ihre wohl größte Stärke unter Beweis: kurzfristig die Massen zu mobilisieren. Ihre hohe Motivation bei der Verfechtung der politischen Überzeugung muss die seit gut vier Jahren in der Defensive verharrende israelische Linke vor Neid erblassen lassen.

Die Siedler haben es zweifellos leichter als die Friedensbewegung, und Slogans wie: „Nach jahrtausendelanger Vertreibung lassen wir uns nicht vertreiben“ mussten bei all denen, die um den Verlust des Eigenheims bangen, auf fruchtbaren Boden fallen. Das strikte Nein zum Wegzug ist für viele, die am Sonntagabend die Straße nach Jerusalem säumten, aber vor allem Teil der Verhandlungen über mögliche Kompensation. Denn der politische Kampf derer, die den Abzug aus dem Gaza-Streifen ablehnen, ist verloren. Kein noch so pompöser Massenprotest wird etwas daran ändern, dass die heute im Siedlungsblock Gusch Katif lebenden Juden früher oder später ihre Sachen packen müssen. Nicht nur Scharon und das israelische Militär wollen das so, nicht nur die Palästinenser und das Weiße Haus, sondern auch die israelische Öffentlichkeit will das. Der Prozess mag sich durch eventuelle Neuwahlen verzögern. Gestoppt wird er dadurch nicht.

Schon jetzt halten von der Räumung bedrohte Siedler Ausschau nach alternativem Wohnraum in Israel. Auch sie haben die veränderte Realität erkannt. Dass es bei dem Massenprotest zum Teil schlicht um Geld geht, birgt die Chance, den wachsenden Unmut zu dämpfen. Völlig unverständlich ist deshalb, warum Scharon erneut kostbare Zeit vergeudet und die Regierung erst im Oktober oder November über den Kompensationsplan entscheiden lassen will. Schon aus Fairness den Siedlern gegenüber sollte so schnell wie möglich Klarheit geschaffen werden, anstatt sie bis zur letzten Minute in Ungewissheit zu lassen. Der freiwillige Wegzug der moderaten Siedler würde zudem die Fanatiker schwächen. SUSANNE KNAUL