unterm strich
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Die frühere Bardame Nelly Mann galt im Familienclan der Manns als „Schlampe“. Aber ein neuer Fund aus dem Nachlass von Heinrich Mann (1871–1950) mit Briefen und Dokumenten, der am Dienstagabend in der Berliner Akademie der Künste präsentiert wurde, lässt der letzten Ehefrau des Autors von Büchern wie „Der Untertan“ und „Professor Unrat“ mehr Gerechtigkeit widerfahren.

„Sie war eine so gute, so menschlich freie, aufgeschlossene Frau“, schrieb der Nervenarzt und Schriftsteller Alfred Döblin („Berlin Alexanderplatz“) Ende Dezember 1944 nach dem Tod Nellys an Heinrich Mann im amerikanischen Exil. Döblin verschweigt nicht den „Dämon“, also die Drogen und den Alkohol, dem Nelly ausgeliefert gewesen sei. Aber wie selten sei es, „daß sich solche Vitalität mit echter Menschlichkeit verbindet“, meinte Döblin in seinem Beileidsbrief.

Mann hatte Nelly im Nachtclubmilieu des Berliner Kurfürstendamms kennengelernt. So findet sich unter den in Prag in einem Koffer aufgetauchten Dokumenten auch ein Brief einer Margot Voss (die „Vossen“, wie sie unterschrieb), einer Bekanntschaft Manns aus der Vorkriegszeit aus eben jenem Berliner Ku’damm-Milieu, die mitten in der Berliner Blockade 1948 Heinrich Mann wieder nach Berlin zu locken versucht und detaillierte Auskünfte über den Alltag in Berlin gibt. Sie gibt Heinrich auch Nachricht von Handelskursen auf dem schwarzen Markt und den Preisen aus ihrem Milieu: „Am Kurfürstendamm ist wieder der alte Kurs eingeführt, ein guter Freier 20 Mk, sonst 10 Mk, also wird es wohl wieder in die alte Bahn kommen, wenn nur die Russen nicht wären.“

Der Nachlass-Fund ist ein Zufallstreffer, unter anderem mit literaturwissenschaftlich bedeutsamen 48 Briefen des französischen Germanisten Félix Bertaux an Mann aus den Jahren 1922 bis 1928. Der Lüneburger Literaturwissenschaftler Peter Stein war 2004 in Prag auf den Koffer gestoßen, nachdem sich ein 79-jähriger Tscheche an ihn gewandt hatte, dessen Mutter mit Maria Mann, Heinrich Manns erster Frau, befreundet war (das Scheidungsurteil von 1930 ist auch unter den Dokumenten). Der Koffer mit den Heinrich-Mann-Dokumenten stand jahrzehntelang unbeachtet in einer Wohnung, bevor Stein 2004 darauf aufmerksam wurde: „Ich sah in dem Fund von vornherein einen Koffer für Berlin.“ Schließlich befindet sich das Heinrich-Mann-Archiv in der Berliner Akademie der Künste. Aber erst jetzt konnte er – nach Überwindung „einiger juristischer Hürden“, die „Ausfuhr nationalen Kulturgutes“ aus Tschechien wurde nachträglich genehmigt – öffentlich präsentiert werden.