elf frauen sollt ihr sein von WIGLAF DROSTE
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Zeitunglesen ist selten ein erhellendes und vergnügliches Geschäft, aber dann gibt es Tage, die sind wie weiße Seide. Bei einer Razzia in einem Düsseldorfer Hotel wird der Maler Jörg Immendorf mit einer Schaufel voll Kokain und neun Prostituierten erwischt; eigentlich waren elf Damen einbestellt, aber zwei hatten sich verspätet. Elf Frauen und ein Mann – was machen die zusammen? Wollten sie Fußball spielen? Oder Karten? Macht Malen einsam? Ich möchte das alles wissen.

Nahezu zeitgleich trat ein ganz anderer Mann auf, dem hartnäckig der Ruf des Kokainisten anhaftet: Ronald Barnabas Schill versuchte sich in Hamburg als Erpresser seines Bürgermeisters Ole von Beust und wurde deshalb gefeuert. Das ist zugegebenermaßen weniger interessant, als die Vorgänge um Jörg Immendorf es sind, und das Sexualleben eines CDU-Politikers, der mit Schill gemeinsame Sache machte, scheint auch nicht eben prickelnd. Dumm fickt nicht gut, sondern dumm. Erst nach zwei Jahren will Ole von Beust bemerkt haben, dass Schill „charakterlich nicht geeignet“ ist, Innensenator Hamburgs zu sein; der Mann hat eine ziemlich lange Leitung. Ronald Schill aber ist die reine verfolgende Unschuld: Mit einer schmutzigen Politik, in der Erpressung kein legitimes Mittel sei, wolle er nichts mehr zu tun haben, schluchzte er. Schills Zwangsrücktritt ändert allerdings nichts daran, dass Hamburg von einer Bande ausgemachter Esel regiert wird.

Für Schill gibt es neue Aufgaben, ihn ruft der Vatikan. Der römische Chefmullah Joseph Kardinal Ratzinger berief Schill in seinen Beraterstab. Der Petersdom ist ein bewährter Container für Finsterlinge und für miese Gesinnung jeder Art; Schill ist dort bestens aufgehoben. Aus Kreisen, die sich für fortschrittlich halten, ist leider schon wieder der notorische Reflex der Empörung zu vernehmen, der in seiner Beschränktheit erst unlängst weit mehr nervte als Ratzingers hinlänglich bekannte Bemerkungen über Homosexuelle. Der Kardinal, der in Rom die Lauerstellung auf den Papstposten bezogen hat, ist der Chefideologe der Antiaufklärung. Warum soll man ausgerechnet von ihm Vernünftiges erwarten? Er ist angetreten, aggressive Unvernunft militant zu verbreiten. Das ist seine Arbeit, die macht er, und man muss schon sehr schlicht gestrickt sein, um das empörend zu finden.

Im Gegenteil: Es ist gut, dass Ratzinger das Wesen seiner Religion ungeniert entblößt – man weiß, mit wem man es zu tun hat, und hat deshalb nichts damit zu tun. Um wie viel öliger sind all die Motorradpfarrer, Bluesmessenleser und Rockdiakone, die sich mit einer Weltoffenheit tünchen, die sie im Ernstfall doch nie haben. Nicht nur so gesehen sind Modernisierungschristen immer noch eine ganze Ecke weniger erträglich als ein halsstarrig menschenfeindlicher Gotteskrieger, wie Ratzinger es ist – der nun mit seinem Bruder Barnabas Domino spielt oder Domina oder was immer, mir ist das egal. Ich bin noch immer absorbiert von der einen Frage: Was machen elf Frauen mit einem Mann?