Ein Kartoffelkäfer jagt den Kohl-Rekord

taz geht wählen (2) – die Serie zur NRW-Kommunalwahl am 26. September. Heute: Kampf um Karls Erbe in Aachen

Aachen?Wirklich tief im Westen. Knapp 260.000 Einwohner, gut 30.000 Studenten. 10,5 Prozent Arbeitslosigkeit. Dieses Jahr bittere Rückschläge auf dem Weg zur High-Tech-Stadt, die Unternehmen Philips und Vobis sind abgewandert. Ansonsten Printen, französische Schulklassen auf dem Rathausplatz und ein zerstrittener Karnevalsverein. Ein mondänes Reitturnier und ein prolliger Fußballclub. Das vielleicht schönste Rathaus im Land, mit Blick auf den Dom, dem ehemaligen Sitz Karls des Großen.Wer hat was zu verlieren?Beide großen Parteien können verlieren: Die CDU ihre Ratsmehrheit, die SPD ihren OB. Bei den Europawahlen beide mies, dafür die Grünen dank Uni über 20 Prozent.Wer regiert im Rathaus?Jürgen Linden (SPD) macht den OB-Job jetzt schon seit fünfzehn Jahren und hat noch immer nicht genug. Bundesweit ist er vor allem bekannt durch Preisverleihungen, zu Ehren Karls und wider den tierischen Ernst. Die Affären um den Müllentsorger Trienekens und um Spenden an den Zweitligist Alemannia, den Linden als ordentlicher Lokalpatriot schon einmal medienwirksam rettete, hat er zumindest juristisch überstanden. Wer will da rein?Sabine Verheyen, Jahrgang 1960, Architektin, Bürgermeisterin, Kind des Vororts Eilendorf. „Aachen hat ein neues Gesicht“, freut sich die CDU. Problem: Bislang ist das alte Gesicht noch bekannter. Um das zu ändern, trinkt Verheyen Bier mit Alemannia-Fans und streichelt Pferde.Was gibt es im Wahlkampf außer Kugelschreibern?Sabine Verheyen ist stolz darauf, rechtzeitig „Hier!“ geschrien zu haben. Deshalb sind demnächst Angela Merkel und Wolfgang Schäuble für die CDU zu bestaunen. Die Grünen machen ein Musik- und Kulturfest, die SPD meidet Bundesprominenz und setzt in der Pferdestadt auf ihr „Zugpferd“ Jürgen Linden. Also alles fast wie überall.Und wer hat die schönsten Wahlplakate?Die SPD klebt rote Regenschirme und findet sich unverwechselbar. Linden ist das SPD-rot aber nicht geheuer, sein Logo „Aachen zuerst“ steht auf gelbem Grund.Die taz-Prognose?Weiter Cohabitation am Dreiländereck. Aachen ist eine bürgerliche Stadt, der Rat bleibt schwarz. In der Direktwahl hat Linden trotzdem gute Karten, die Kohl-Marke von 16 Jahren zu toppen. Denn wer den „Kartoffelkäfern“ von der Alemannia hilft, der hat bei den lokalpatriotischen „Öchern“ schon halb gewonnen. KLAUS JANSEN